11. nifbe-Fachtag Fachberatung

So wie in vielen anderen Berufssparten steht auch in der Fachberatung ein einschneidender Generationenwechsel an. Wie können hier nun die Übergänge gestaltet und das immense und häufig eher implizite Wissen der ausscheidenden Fachberater*innen gesichert werden? Diese Fragen standen im Fokus des 11. und schon frühzeitig ausgebuchten nifbe-Fachtags Fachberatung im Stephansstift Hannover.

kühnbergerZur Begrüßung beleuchtete der nifbe-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Kai-Uwe Kühnberger zunächst einmal grundsätzlich den in der Politik „leider noch nicht durchgehend erkannten Stellenwert der frühkindlichen Bildung“ – denn hier würden die entscheidenden Grundlagen für die gesamte Bildungs- und Berufsbiographie gelegt. Zudem ergäben Investitionen in diesen Bildungsbereich, wie der Wirtschafts-Nobelpreisträger James Heckman errechnet habe, den höchsten gesellschaftlichen „Return on Invest“. Eine zentrale Rolle bei der Qualitätsentwicklung in den KiTas sprach Kai-Uwe Kühnberger den Fachberater*innen zu und daher sei auch das Wissensmanagement im anstehenden Generationenwechsel eine entscheidende Frage: „Wie kann das häufig nur implizit in den einzelnen Köpfen vorhandene Wissen in den Institutionen gehalten werden?“

mirelaHieran anschließend konstatierte nifbe-Moderatorin Mirela Schmidt, dass es nur wenig gesichertes Wissen zum Wissensmanagement in der Fachberatung gebe. Daher habe sich die nifbe-interne AG Fachberatung auf die Suche nach guten Praxisbeispielen gemacht und sei dabei auch fündig geworden. Und so schilderten in der Folge drei Fachberater*innen bzw. Fachbereichsleitungen, wie sie für die dauerhafte Verfügbarkeit ihres Wissens in einem sehr heterogen aufgestellten Berufsfeld sorgen.

Ein „unbeschriebenes Blatt“ fand Carmen Auer-Brockmann vor, als sie zunächst befristet und als Einzelkämpferin die erste Fachberaterin in der auer brockmannSamtgemeinde Hollenstedt wurde. Sie hatte sich auf ihrem Berufsweg konsequent von der Kindertagespflege über die Erzieherinnen-Ausbildung, ein Studium und diverse Fortbildungen weitergebildet und war dann quasi in ihrem Traumjob angelandet. Hier eruierte sie zunächst die Erwartungen, die einerseits ihre sechs KiTas und andererseits die Verwaltung an sie hatten. Von Anfang an berichtete sie auch regelmäßig in den Sitzungen des Jugendhilfeausschusses und konnte die Politiker*innen hier schließlich auch von einer Entfristung ihrer Stelle überzeugen.

Als essenziell beschrieb Carmen Auer-Brockmann für ihren Job „eine ständige Überprüfung der eigenen Haltung“: Wie möchte ich KiTas beraten und begleiten und den Leitungen und Fachkräften gegenübertreten? Sie kam zu der Überzeugung, „kein Erfüllungsgehilfe“ der KiTas sein zu wollen. Vielmehr komme es darauf an, „gemeinsam Lösungen zu entwickeln“. Jede KiTa müsse ihren eigenen Weg finden. Fortlaufend dokumentiert die Fachberaterin ihr Wissen nun ganz oldschool und analog auf „Wissenslandkarten“ zu verschiedensten Themenbereichen wie „Integration“, „Sprachförderung“ oder „Kinderschutz“.

StjernebyEine ganz andere Ausgangssituation fand Marina Stjerneby als Fachberaterin im Landkreis Lüneburg vor. Sie arbeitet seit vier Jahren in einem von hoher Fluktuation betroffenen Team mit drei weiteren pädagogischen Fachberater*innen und einer koordinierenden Verwaltungsstelle. Zuständig ist das Team für 82 KiTas mit 28 verschiedenen Trägern.

Als Basis für Qualitätssicherung beschrieb Marina Stjerneby die „Entwicklung eines Teamverständnisses“ und den „kontinuierlichen, intensiven Austausch untereinander“. Sie konnte bereits auf eine gewachsenen Dokumentenstruktur aufbauen – u.a. auf eine Präsentation zur Vorstellung der Arbeit der Fachberater*innen in Gremien und Ausschüssen sowie auf einen Einarbeitungsordner für jede Stelle. In diesen sind die wichtigsten Listen, Daten und Ansprechpartner*innen sowie die Aufgaben im Jahresverlauf hinterlegt. Gemeinsam wurde eine Konzeptionsentwicklung für KiTa-Fachberater*innen auf den Weg gebracht, in dem u.a. auch Selbstverständnis und Haltung beleuchtet werden. Ein Kernsatz lautet dabei für Marina Stjerneby: „Wir arbeiten proaktiv, präventiv und prozessbegleitend in einer fachlich vertrauensvollen Beziehung“.

kleeAuf eine lange Tradition der Fachberatung und ein entwickeltes „Onboarding“ konnte Sebastian Klee als Fachbereichsleiter in der Ev.-luth. Landeskirche Braunschweig zurückblicken. Er arbeitet mit einem vierköpfigen Fachberater*innen-Team und ist für 104 KiTas zuständig. Er unterstrich, dass aus seiner Sicht nicht das Fachwissen der Fachberater*innen das Entscheidende ist, sondern die Haltung und hier die Frage: „Wie begegne ich den zu Beratenden?“

Sebastian Klee stellte den Tagungs-Teilnehmer*innen ein detailliertes Onboarding- und Einarbeitungskonzept nebst „Willkommensordner“ vor. Beschrieben werden hier Führungsgrundsätze, Leitbild und Haltung sowie ausführliche Stellenprofile – von der pädagogischen Weiterentwicklung von Teams über die Stärkung der Rolle der Leiterin und die Fortbildungsplanung bis hin zur Umsetzung der Inklusion. Als zentral in der Einarbeitung stellte der Fachbereichsleiter regelmäßige Reflexionsgespräche mit den neuen Fachberater*innen heraus. Die Einarbeitung beschrieb er als "eine Leistung des gesamten Teams". Für das Team als Ganzes sei darüber hinaus „Zeit für den gemeinsamen Austausch und die Entwicklung einer Besprechungskultur“ unabdingbar.

Im Fokus: Überlastete und erschöpfte Teams

In thematischen Fokusgruppen konnte anhand dieser Praxisbeispiele das Thema „Übergang und Wissensmanagement“ weiter vertieft und diskutiert werden. Andere Fokusgruppen widmeten sich aktuellen Themen wie der gesetzlichen Verankerung von Fachberatung, dem Kinderschutz, der Diskriminierungssensibilität oder der Überlastung von Fachkräften. In letzterer berichteten Fachberater*innen in erschreckender Weise von „erschöpften und belasteten Fachkräften“, die kaum mehr zu motivieren sind. „Man blickt in leere Gesichter“ konstatierte eine Fachberaterin ratlos und immer wieder wurde vor einem „KiTa-Kollaps“ gewarnt.

Doch wie kann man Teams unabhängig von strukturellen Rahmenbedingungen und dem aktuellen Fachkräftemangel noch motivieren? Hier unterstrichen die Fachberater*innen neben der (gegenseitigen) Wertschätzung die zentrale Bedeutung von Struktur und Verbindlichkeit sowie einer wertebasierten Identifikation mit dem Träger und der Tätigkeit als Erzieher*in. Hier komme der Leitung eine Schlüsselrolle zu und diese müsse auch durch Fachberatung gestärkt werden. Wichtig sei es aber auch, so eine Fachberaterin, „nicht nur auf Probleme und Herausforderungen zu schauen, sondern auch auf das Erreichte und kleine Erfolge zu feiern“. Es müsse darum gehen, den „Spaß an der Arbeit zurückzuholen“ – zum Beispiel dadurch, dass alle Fachkräfte einmal in der Woche in einem festgelegten Zeitfenster nur das mit den Kindern tun können, was ihnen selber Spaß macht: Vorlesen, basteln, im Bewegungsraum toben oder oder oder…

Breites Angebots-PortfolioPortfolio||||| Ein Portfolio bezeichnet ursprünglich  eine Sammlung von Objekten eines bestimmten Typs. Im  Handlungsfeld frühkindliche Bildung werden Portfolios beispielsweise wie "Ich- .Mappen" für Kinder genutzt um eigene Fortschritte zu dokumentieren. Auch in Studiengängen gibt es Beispiele, wo Portfolios als Prüfungsleistung oder Dokumentation von Entwicklungen zählen können. für Fachberater*innen

Im Rahmen des Fachtags stellte nifbe-Referent Peter Keßel auch „Neues zum Thema Fachberatung“ vor. So sei gerade die vierte Qualifizierung des nifbe für Fachberater*innen abgeschlossen worden und in Kooperation mit Blickwechsel e.V. und der VHS Osnabrücker Land laufe eine Qualifizierung zur Rolle der Fachberater*innen im Themenfeld Medienbildung. Darüber hinaus stellte er neue Veröffentlichungen, Workshops, Tagungen sowie ein Blended Learning des nifbe für eine diskriminierungssensible Arbeit in der frühkindlichen Bildung vor. Auch hier zeigte sich, dass sowohl niedersachsen- wie bundesweit das Thema Fachberatung und ihre Unterstützung bei der Qualitätsentwicklung in KiTas immer mehr in den Fokus gerät und das nifbe hierbei eine bedeutsame Rolle spielt.

Karsten Herrmann