Die aktuelle Situation in vielen Kindertageseinrichtungen ist besorgniserregend. Das zeigen die Ergebnisse einer Befragung durch den Paritätischen Gesamtverband, die nun im aktuellen Paritätischen Kita-Bericht veröffentlicht wurden. Besonders alarmierend ist, dass sich die Situation in vielen Kindertageseinrichtungen in den vergangenen zwei Jahren deutlich verschlechtert hat. Die bisherigen Bemühungen von Bund und Ländern, die Qualität in Kitas zu sichern, konnten diese Entwicklung nicht aufhalten.

Durchschnittlich fehlen in jeder Kita mehr als zwei Fachkräfte, häufig sind es sogar mehr. Das entspricht aktuell 125.000 fehlenden Fachkräften im gesamten Bereich der Kindertagesbetreuung. „Fehlende Fachkräfte sind ein doppeltes Problem“, merkt Juliane Meinhold, Leiterin der Abteilung für soziale Arbeit, an. „Personalmangel führt zu zusätzlichen Überstunden und einer zunehmenden Überlastung der vorhandenen Mitarbeiter*innen. Damit drohen weitere Personalausfälle. Und die Kinder haben das Nachsehen, weil Aktivitäten und Förderung eingeschränkt werden.“ Diese Zusammenhänge verdeutlicht auch der neu geschaffene Kita-Belastungs-Index, der zeigt, dass 22 Prozent der erfassten Kindertageseinrichtungen stark mehrfachbelastet sind.

Bei der Inklusion hakt es weiterhin

Das Schwerpunktthema des diesjährigen Kita-Berichts ist die Umsetzung von Inklusion. Erstmalig liegen Erkenntnisse zu der Umsetzung von Inklusion in Kindertageseinrichtungen vor. „Kinder mit Behinderung sind die besonders Leidtragenden in dieser Situation“, betont Juliane Meinhold. „Fehlende personelle Ausstattung und lange Verfahren verhindern, dass Kinder rechtzeitig die notwendige Unterstützung erhalten. Viele Fachkräfte und Eltern fühlen sich alleine gelassen“.

Mit dem sogenannten Gute-Kita-Gesetz hat der Bund ab dem Jahr 2019 die Hoffnung geweckt, dass sich die Situation in Kindertageseinrichtungen flächendeckend verbessern könnte. Der Kita-Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes zeigt aber sehr deutlich, dass sich zwischen 2021 und 2023 die Rahmenbedingungen in den meisten Kitas verschlechtert haben, insbesondere weil sich der Fachkräftemangel als große Belastung erweist.

Der Paritätische Gesamtverband fordert, mehr Fachkräfte durch bessere Rahmenbedingungen in der Ausbildung zu gewinnen. So sollte grundsätzlich kein Schulgeld mehr gezahlt werden müssen, die Anrechnung von Auszubildenden auf den Personalschlüssel muss aufhören. Gleichzeitig ist zusätzliches Personal in inklusiv arbeitenden Kindertageseinrichtungen und in Einrichtungen mit einem hohen Anteil von Kindern, die von Benachteiligung bedroht sind, notwendig. Juliane Meinhold schlussfolgert: „Alle Kinder müssen in der Kita gut betreut werden. Und alle Mitarbeiter*innen müssen ihre Arbeit gut machen können. Das wird ohne eine zusätzliche Stärkung von Kindertageseinrichtungen nicht möglich sein.“

Der Paritätische Kita-Bericht basiert auf einer Online-Umfrage zur Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen, an der zwischen Mai und Juni 2023 1.760 Mitarbeiter*innen aus Kitas teilgenommen haben. Die vollständige Studie, die in Zusammenarbeit mit der Universität Osnabrück erstellt wurde, können Sie hier herunterladen.

Am Donnerstag, 6. Juni von 10.00 bis 12.00 Uhr werden im Rahmen einer Online-Veranstaltung die zentralen Ergebnisse des Kita-Berichts vorgestellt und diskutiert. Eine Anmeldung ist hier möglich: www.der-paritaetische.de/termin-detailansicht/kita-bericht-aktuell/

Schlaglichter aus der Befragung:


Fachkräfte
  • In 72 Prozent der Einrichtungen leisten pädagogische Mitarbeitende regelmäßig Überstunden, um eine angemessene Betreuung der Kinder sicherzustellen. Das ist eine deutliche Verschlechterung gegenüber 2021, als lediglich 56 Prozent der Teilnehmenden zustimmten, dass pädagogische Fachkräfte regelmäßig Überstunden leisten.
  • Auf jede zweite öffentlich ausgeschriebene Stelle für pädagogische Fachkräfte liegt maximal eine Bewerbung vor. 2021 lag bei weniger als einem Drittel der Einrichtungen maximal eine Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle vor.
  • Nur noch 57 Prozent der Einrichtung nehmen die Kooperation mit Fachschulen im Rahmen der Ausbildung als gut wahr. Vor zwei Jahren schätzten noch 65 Prozent der Teilnehmenden die Kooperation als gut ein.
  • In jeder zweiten Einrichtung ist mindestens eine Stelle aus dem Stellenplan wegen fehlender Fachkräfte unbesetzt. Zusätzlich ist in 58 Prozent der Einrichtungen mindestens eine Stelle einer pädagogischen Mitarbeitenden wegen längerer Abwesenheit von mind. drei Wochen (z. B. infolge von Krankheit, Elternzeit etc.) unbesetzt. Durchschnittlich sind in jeder Einrichtung 2,6 Stellen vakant.
  • Die Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass bundesweit über 125.000 vorhandene Stellen von pädagogischen Mitarbeitenden in Kindertageseinrichtungen unbesetzt sind.
  • Je stärker der Sozialraum als benachteiligt wahrgenommen wird, desto schlechter ist das Verhältnis von besetzten zu unbesetzten Stellen.
  • In einem Fünftel der Einrichtungen können wegen des Fachkräftemangels nicht alle Plätze belegt werden. Im Durchschnitt bleiben in diesen Einrichtungen 14 Plätze aufgrund des Fachkräftemangels ungenutzt.
  • In 62 Prozent der Kindertageseinrichtungen hat die Hälfte oder mehr der Kinder einen vertraglich vereinbarten Betreuungsumfang von mehr als sieben Stunden täglich. Aber nur in 43 Prozent der Einrichtungen hat auch die Hälfte oder mehr der Kinder, die in der Familie vorrangig eine nichtdeutsche Sprache sprechen, einen vertraglich vereinbarten Betreuungsumfang von mehr als 7 Stunden täglich.
  • 68 Prozent der Teilnehmenden stimmen zu, dass mit dem tatsächlichen Personalschlüssel in der Einrichtung den Bedürfnissen der Kinder nicht entsprochen werden kann.
  • Je weniger Kinder im Verhältnis zu einer Fachkraft betreut werden, desto eher stimmen die Befragten der Aussage zu, mit dem aktuellen Personalschlüssel den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden zu können.
  • 65 Prozent der Einrichtungen würden gerne mehr praxisintegrierte Auszubildende beschäftigen.
  • In 74 Prozent der Einrichtungen stehen pädagogischen Fachkräften keine ausreichenden Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Kindertageseinrichtung zur Verfügung.

Leitung

  • Die Arbeitsbelastung hat sich gegenüber dem Sommer 2019 in zwei Drittel aller Einrichtungen stark erhöht. Gleichzeitig sind die Zeitkontingente für Leitung bei 70 Prozent der Teilnehmenden gleichgeblieben oder sogar gesunken.
  • 80 Prozent der Leitungskräfte arbeiten regelmäßig als Springer im Gruppendienst und haben damit weniger Zeit für die eigentlichen Leitungsaufgaben.
  • 61 Prozent der Teilnehmenden stimmen völlig zu, dass die Verwaltungsarbeit überwiegend von der Leitung geleistet wird. Weitere 25 Prozent stimmen der Aussage eher zu.

Gesundheit
  • 2021 reichten die gegebenen Mittel bei einem Drittel der Teilnehmenden nicht aus, um die Kinder mit einer ausgewogenen Ernährung zu versorgen.
  • 2023 betrifft das bereits fast die Hälfte der Teilnehmenden.
  • Vielfach ist eine ausgewogene Ernährung nur durch freiwillige Sach- und Geldspenden der Eltern möglich.
  • In 45 Prozent der Einrichtungen wird die Innenfläche den Bewegungsbedürfnissen der Kinder nicht gerecht.
  • Bei der räumlichen Gestaltung werden vor allem der fehlende Lärmschutz (in 59 Prozent der Einrichtungen) und der fehlende Hitzeschutz (in 56 Prozent der Einrichtungen) bemängelt.

Inklusion

  • In 61 Prozent der Kindertageseinrichtungen fehlt pädagogisches Personal mit spezifischen Qualifikationen im Bereich der Inklusion.
  • In 56 Prozent der Einrichtungen sind die räumlichen Voraussetzungen für Inklusion nicht zufriedenstellend.
  • Zusätzliche Personalstunden zur Betreuung von Kindern mit Behinderung können 40 Prozent der Einrichtungen nutzen, und 29 Prozent der Einrichtungen profitieren bei der Betreuung von Kindern mit Behinderung von der Reduzierung von Gruppengrößen.
  • Positiv fällt auf, dass etwa zwei Drittel der Einrichtungen die Teilhabeleistungen ausschließlich oder überwiegend gruppenintegriert erbringen.
  • Die überwiegende Mehrheit der Eltern (74 Prozent) ist nach Ansicht der Teilnehmenden mit der Beantragung von Mitteln für Teilhabeleistungen überfordert.
  • Lediglich 11 Prozent der Einrichtungen geben an, dass der gesamte Prozess von der Bedarfsermittlung bis zum Beginn der Teilhabeleistung weniger als zwei Monate dauert. Ein Drittel der Einrichtungen wartet dagegen regelmäßig 6 bis weniger als 12 Monate, und 9 Prozent warten im Durchschnitt mindestens ein Jahr auf den Beginn der Teilhabeleistung.
  • Aus Sicht der Teilnehmenden hat jedes 13. Kind einen besonderen Betreuungsbedarf, der nicht über zusätzliche Leistungen gedeckt wird.


Sprachliche Bildung
  • In 32 Prozent der Einrichtungen haben mehr als ein Drittel der Kinder einen besonderen Unterstützungsbedarf beim Spracherwerb. Im Jahr 2021 traf das lediglich auf 25 Prozent der Einrichtungen zu.
  • Im Jahr 2021 gab bereits über die Hälfte (52 Prozent) der Teilnehmenden an, dass der Förder- bzw. Unterstützungsbedarf hinsichtlich der kindlichen Sprachentwicklung mit dem vorhandenen Personalschlüssel nicht umgesetzt werden kann. Zwei Jahre später hat sich dieser Wert deutlich auf über zwei Drittel (69 Prozent) der Teilnehmenden erhöht.
  • In 35 Prozent der Einrichtungen werden von den Kindern neben Deutsch drei bis fünf verschiedene Sprachen und in 43 Prozent der Einrichtungen sechs oder mehr verschiedene Sprachen gesprochen.
  • Fast drei Viertel aller Einrichtungen betreuen Kinder, deren Eltern nach Deutschland geflüchtet sind.
  • Lediglich in 3 Prozent aller Einrichtungen werden keine Kinder betreut, die mindestens ein Elternteil haben, das im Ausland geboren wurde.

Weitere Inhaltliche Herausforderungen
  • Die Inanspruchnahme von Fachberatung und interner bzw. externer Evaluation ist in vielen Bundesländern gegenüber dem Jahr 2021 deutlich zurückgegangen.
  • Kamen 2021 in 36 Prozent der Einrichtungen digitale Medien in den Interaktionen mit Kindern regelmäßig zum Einsatz, lag dieser Wert zwei Jahre später mit 34 Prozent leicht darunter. Kinder lernen in Kitas nur selten den selbstständigen Umgang mit digitalen Medien.
  • In fast der Hälfte der Einrichtungen wird den Eltern ein Angebot der Kita-Sozialarbeit gemacht.
  • Erfreulicherweise können in benachteiligten Sozialräumen sogar 64 Prozent der Einrichtungen Kita-Sozialarbeit anbieten.

Quelle: Paritätischer Gesamtverband