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Stress im KiTa-Alltag reduzieren

Veröffentlicht:
9. Oktober 2025

Mit welchen Stellschrauben können Fachkräfte ihre Stressresilienz vergrößern und welche Rolle spielen dabei die exekutiven Funktionen bzw. die Selbststeuerung? Diese Fragen beleuchtete Carmen Deffner in der kostenlosen nifbe-Veranstaltungsreihe „Der geht mir dann über Tische und Bänke!“ unter anderem aus neurobiologischer Perspektive.

Wie Carmen Deffner im Vorgespräch mit nifbe-Moderator Peter Keßel erzählte, hat sie sich als Mitarbeiterin des von Manfred Spitzer geleiteten ZNL viele Jahre mit den Exekutiven Funktionen und der Selbststeuerung von kleinen Kindern beschäftigt und dabei u.a. das Programm EMIL mitentwickelt – bis sie sich bei einem ihrer vielen Praxisbesuche fragte, was denn eigentlich die Fachkräfte persönlich brauchen, um Qualität und Chancengerechtigkeit in der frühkindlichen Bildung tatsächlich umsetzen zu können. Nun schreibt sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im PEP ihre Promotion dazu. Und gleich zu Anfang verriet sie: „Bereits mit kleinen Schritten kann man viel zur Stressreduktion tun.“

Was ist Stress?

Einführend in ihren Vortrag zeigte Carmen Deffner die schillernde Komplexität des Phänomens Stress auf. Zunächst einmal sei Stress eine ganz alltägliche und auch gesunde Reaktion auf herausfordernde Situationen. Die entscheidende Frage sei, ob Stress sich auf den akuten Moment beschränke oder schon chronisch und damit toxisch sei. Stress könne unter verschiedenen Perspektiven betrachtet werden – nämlich biologisch, psychisch und sozial. Zumeist würden alle drei Faktoren zusammenwirken.

Wie die Erziehungswissenschaftlerin und systemische Beraterin ausführte, wird auf der biologischen Ebene bei Stresssituationen durch die Amygdala im Gehirn Alarm geschlagen und Hormone wie Adrenalin und Cortisol ausgestoßen. Der Mensch gehe dann in den „Fight-Flight-Freeze-Modus“ über und sei voll und ganz auf das Überleben fokussiert. Bei einer dauerhaften Aktivierung der Amygdala präge diese eine überhöhte Sensitivität mit gesundheitsschädlichen Folgen aus.

Psychologisch, so Carmen Deffner, werde Stress als „Ungleichgewicht zwischen den eigenen Kompetenzen und Ressourcen und den gestellten Anforderungen“ beschrieben und damit sei Stress auch ein Bewertungsprozess und in gewisser Weise „eine theoretische Größe“.

Der sozialen Ebene von Stress näherte sich Carmen Deffner von der entgegengesetzten Seite, nämlich vom Wohlbefinden aus: Wohlbefinden entstehe vor allen Dingen in Beziehungen und soziales Miteinander sei stressreduzierend. Der Mensch sei mit einem „sozialen Gehirn“ ausgestattet und Empathie und Mitgefühl seien biologisch verankert sowie „sinn- und ressourcenstiftend“. Im Umkehrschluss könne also zu wenig soziales Miteinander und zu wenig Mitgefühl und Empathie zu Stress und Unzufriedenheit führen.

Auswirkungen von Stress

Dauerhafter Stress, so zeigte Carmen Deffner auf, habe viele gesundheitliche Auswirkungen – von Rücken- und Kopfschmerzen über Schlafstörungen, Nervosität oder depressive Symptome bis hin zum BurnOut. Dies hätte dann nicht nur eklatante Auswirkungen auf das persönliche Leben, sondern auch auf die pädagogische Qualität in der KiTa, denn: „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass gestresste Fachkräfte kindliches Verhalten leichter als Wut, Aggression oder Angst interpretieren als nicht gestresste Fachkräfte.“ Zudem hätten gestresste Fachkräfte eine „geringere emotionale Verfügbarkeit für Kinder“ und seien „weniger engagiert bei Bildungsangeboten“.

Wie Carmen Deffner dazu ausführte, funktioniere in einem entspannten Gehirn die Kommunikation unter den verschiedenen zerebralen Arealen perfekt und der Mensch habe u.a. Zugang zu seinen exekutiven Funktionen, könne sich emotional regulieren und Perspektiven wechseln oder sei aufmerksam, neugierig, kreativ usw.. Das gestresste Gehirn dagegen sei auf das Überleben fokussiert und blende alles, was dazu nicht notwendig sei, aus – unter anderem auch die für das Wohlbefinden so wichtigen exekutiven Funktionen.

Die exekutiven Funktionen

Die exekutiven Funktionen stellte Carmen Deffner als eine Trias vor:

  • Inhibition / Impulskontrolle
  • Arbeitsgedächtnis / Informationsaufnahme und -Verarbeitung
  • Kognitive Flexibilität / Anpassung an die Gegebenheiten

Insgesamt seien die exekutiven Funktionen unabdingbar für die Zielorientierung, Fehlerkontrolle und Aufmerksamkeitssteuerung. Im pädagogischen Alltag der Fachkräfte seien insbesondere die Selbstregulation und die Co-Regulation eine ständige Anforderung, ebenso aber die Kommunikation und Kooperation sowie die Fähigkeit zum Perspektivwechsel – all dies sei aber im gestressten Zustand nicht oder nur eingeschränkt verfügbar.

Stellschrauben für die persönliche Stressresilienz

Im zweiten Teil ihres Vortrags stellte Carmen Deffner verschiedene Stellschrauben vor, um die exekutiven Funktionen zu stärken und bewusst zu aktivieren – und zwar sowohl auf Ebene der einzelnen Fachkraft als auch im Team sowie auf Leitungsebene. Die Impulskontrolle könne so beispielsweise durch eine Atempause mit drei tiefen Atemzügen, durch Mantra-Sätze, bewusste (Mikro-) Pausen-Rituale oder das Ausschalten von Ablenkungen gefördert werden. Hilfreich für das Arbeitsgedächtnis seien visuelle Hilfen wie Post It’s, To Do-Listen oder das „Brain-Dumping“,  bei dem alle Gedanken, Ideen und Aufgaben ungefiltert niedergeschrieben werden. Die kognitive Flexibilität könne durch ein „Reframing“, also das anders Bewerten und Betrachten von stressigen Situationen gefördert werden. Ein Reframing sei es beispielsweise, wenn eine Fachkraft sich von einem herausfordernden Kind nicht provoziert oder geärgert fühle, sondern nach dem Grund des Verhaltens frage. Das Reframing biete sich auch gemeinsam im Team und auch die kollegiale Beratung sei sehr förderlich, um verschiedene Perspektiven auf einen Fall zu bekommen – und auch allein schon, um über Belastendes sprechen zu können, denn „Kommunikation reguliert Stress herunter“. Grundsätzlich, so Carmen Deffner, sei eine bewusste Regeneration nach dem Arbeitstag in der KiTa wichtig – z.B. auch durch Bewegung, Atemübungen, Achtsamkeit und die Reduzierung des Medienkonsums.

„Personalmangel kann man nicht wegatmen“

Bei allen sinnvollen Ansätzen und Mikro-Übungen, um Stress und Belastung persönlich zu reduzieren, musste aber auch Carmen Deffner feststellen: „Personalmangel kann man nicht wegatmen“ – aber die exekutiven Funktionen würden auch dabei helfen zu unterscheiden, was ich als Fachkraft selbst beeinflussen kann und was die strukturelle Aufgaben von Leitung, Träger und Politik sind.

Karsten Herrmann

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