Die aktuelle Situation sowie die Perspektiven der Fachberatung in Deutschland standen im Fokus einer restlos ausgebuchten nifbe-Fachtagung im Rahmen der didacta. In seinem Grußwort hob nifbe-Vorstandsmitglied Dieter Wuttig die „zentrale Rolle“ der Fachberatung bei der weiteren qualitativen Entwicklung der frühkindlichen Bildung heraus. Zugleich sei sie aber derzeit „eine Art Blackbox, bei der man nicht genau weiß, was drin ist und was drin sein sollte.“ Ziel des nifbe sei es, ein Unterstützungssystem für die Fachberatung aufzubauen – zum Beispiel durch passgenaue Weiterbildung, neue Publikationsformate sowie die bessere Vernetzung und den kollegialen Austausch der Fachberatung in Niedersachsen.
In seinem Auftaktvortrag stellte Prof. Dr. Michael May von der Hochschule Rhein-Main aktuelle Forschungsergebnisse zu den unterschiedlichen Profilen und Aufgaben von Fachberatung vor. Mit 87% nimmt einer WiFF-Erhebung zufolge die Beratung und Begleitung von Leitung, pädagogischen Fachkräften und Teams dabei die Spitzenposition ein. Gefolgt wird sie von Konzeptions- und Organisationsentwicklung von KiTas (78%), der Organisation des Erfahrungsaustauschs von KiTas (70%) und der Planung von Fort- und Weiterbildung (63%). Im Durchschnitt haben 54% der FachberaterInnen dabei auch eine Aufsichtsfunktion, die jedoch sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Aktuell zeichneten sich aber, so Michael May, „gravierende Veränderungen im Aufgabenprofil der Fachberatung“ ab – neben dem Thema des U3-Ausbaus rückten so auch das Qualitätsmanagement und das Monitoring stark in den Fokus.
Keine typischen Profile der Fachberatung festzustellen
In der Gesamtbewertung der erhobenen empirischen Daten musste Michael May konstatieren, dass sich „keine typischen Profile der Fachberatung ermitteln lassen“ und keine signifikanten Zusammenhänge zu Trägern, Organisationen oder Qualifikationen festzustellen waren. Allerdings finde eine „hochprofessionelle individuelle Profilbildung der Fachberatung“ statt, mit der diese auf die jeweiligen Rahmenbedingungen und Bedarfe flexibel reagiere. Insgesamt ließe sich auch eine „hohe Zufriedenheit“ sowohl bei den FachberaterInnen selber als auch den beratenen KiTa-Leitungen und Teams feststellen.
Wenn auch keine typischen Profile, so konnte Michael May aus seinen erhobenen qualitativen Daten aber zumindest drei verschiedene Habitus-Typen der Fachberatung herausdestillieren:
Strukturbezogener Habitus
Praxisberatender und kontrollvermeidender Habitus
Erratischer Habitus
In Bezug auf Fachberatung definierte Prof. Michael May das Professionswissen als praktisches Handlungswissen und Können, welches dem Angemessenheitskriterium unterliege und daher nicht im wissenschaftlichen Sinne „falsch“ sein könne. „Wissenserzeugung“ wie „Wissensverwendung“ vollziehe sich in der Fachberatung „situativ auf den jeweiligen konkreten Fall bezogen und unter Ungewissheitsbedingungen“.
In diesem Sinne sei für Fachberatung auch kein einheitliches Modell oder Qualifikationsprofil vorstellbar. Sinnvoll sei vielmehr eine Basisqualifikation, die insbesondere auf reflexive und relationale Aspekte sowie die Auseinandersetzung mit Dilemmata – wie z.B. die zwischen Beratung und Dienstaufsicht – ausgerichtet sei.
Für eine Neujustierung und eine klarere Bestimmung des Qualifikations- und Aufgabenprofils der Fachberatung sowie bundesweit vergleichbare Qualitätsstandards sprach sich in einem zweiten Vortrag Maria-Theresia Münch vom Deutschen Verein aus. Sie plädierte auch für eine Neubestimmung und Konkretisierung von Fachberatung im SGB VIII und in den Landesgesetzen bzw. Verordnungen.
Grundsätzlich definierte sie Fachberatung als „eine organisationsbezogene Dienstleistung, die Träger und EinrichtungsleiterInnen dabei unterstützen soll, ein fachlich und organisatorisch tragfähiges Angebot für Kinder und Eltern zu schaffen und aufrecht zu erhalten.“ Kernaufgabe sei dabei die prozessorientierte Qualitätsentwicklung und –sicherung, die eng mit der Organisationsgestaltung und einer strategisch ausgerichteten Personalentwicklung verknüpft sei. Im Hinblick auf die oftmals als konflikthafte erlebte Aufgabenstellung der Fachberatung zwischen Beratung einerseits und der Fach- und Dienstaufsicht andererseits hielt sie eine „konstruktive Verbindung durch klare Mandatierung und transparente Rollenklärung“ für machbar.
Maria-Theresia Münch beschrieb die Fachberatung in der Folge auch als zentrale „Schnittstelle und Transferinstanz zwischen unterschiedlichen Akteuren und Ebenen“ – von der Praxis über Träger bis zu Politik und Wissenschaft. Das für diese herausfordernden und breit gefächerten Aufgabenstellungen nötige Qualifikations- und Kompetenzprofil umriss sie folgendermaßen:
Vernetzung und Kooperation unabdingbar
Als unabdingbar für die weitere Professionalisierung der Fachberatung beschrieb Maria-Theresia Münch auch die Vernetzung und die Kooperation zwischen den FachberaterInnen. Perspektivisch sei auf der Grundlage mehrjähriger Praxiserfahrung auch ein einschlägiges Hochschulstudium notwendig.
Die niedersächsischen Fachberaterinnen Hannelore Kleemiß, Erika Brahms, Stefanie Emmel und Karin Schätzlein (v.l.n.r.) diskutierten mit Bernd Wintzer die aktuelle Situation und die Perspektiven ihres Berufsstandes
In einer von Bernd Wintzer aus dem nifbe-Regionalnetzwerk Mitte moderierten interaktiven Dialogrunde wurden auf dem nifbe-Fachtag die Herausforderungen und Perspektiven des Berufsstandes schließlich noch intensiv aus der direkten Praxissicht diskutiert. Im Fokus der von unterschiedlichen Trägern stammenden vier niedersächsischen FachberaterInnen stand dabei auch die Frage des Umgangs mit der großen Heterogenität ihres Berufsstandes. Deutlich wurde der Wunsch, für dieses „hochanspruchsvolle Feld“ ein klareres Aufgabenprofil und Professionsverständnis zu etablieren ohne dabei jedoch an Flexibilität und Gestaltungsspielraum zu verlieren. Im Laufe der Diskussion kristallisierten sich drei Dimensionen heraus, die näher beleuchtet werden müssten:
Zur Klärung dieser Fragen, so Stephanie Emmel, müsse als nächster Schritt eine „übergreifende Austauschplattform“ und eine „Interessenvertretung“ für Fachberatung in Niedersachsen etabliert werden. Dafür und für den Wunsch, dass das nifbe mit seinen Vernetzungsstrukturen die Begleitung, Koordination und Unterstützung dieses Prozesses übernehme solle, bekam sie sowohl von ihren Mitdiskutanten als auch aus dem Plenum große Unterstützung und bewirkte Aufbruchstimmung.
nifbe begleitet und unterstützt Austausch und Vernetzung
Als Moderatorin des Fachtages nahm nifbe-Koordinatorin Maria Korte-Rüther diesen Wunsch und Auftrag der niedersächsischen FachberaterInnen gerne an. So würde das nifbe zeitnah zu einer Folgeveranstaltung einladen, auf der die aufgeworfenen Fragen zu notwendigen Rahmenbedingungen, zentralen Aufgabenfeldern und dem eigenen Professionsverständnis gemeinsam diskutiert und womöglich schon erste Antworten gefunden werden sollten. Sie unterstrich abschließend noch einmal die zentrale Rolle der Fachberatung bei den Aktivitäten des nifbe und wies auf die aktuelle Workshopreihe des nifbe für diese Zielgruppe rund um die Themen „Team-und Organisationsentwicklung“, „Umgang mit Vielfalt“, „Sprachbildung und –dokumentation“ sowie „Arbeit mit Kindern unter drei“ hin.
Kurzübersicht Workshopreihe 2015
Präsentation Maria-Theresia Münch