Die Zukunft des Kita-Systems einmal ganz kreativ und ohne Schere im Kopf zu durchdenken und zu durchspielen – das war das Ziel einer dreitägigen Zukunftskonferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit e.V. (BAG-BEK) in Kassel, an der rund 140 Teilnehmer*innen aus allen Ebenen der Frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung teilnahmen.
Petra Strehmel und Susanne Viernickel begrüßten zur ZukunftskonferenzZum Auftakt umriss die BAG-BEK-Vorsitzende Prof. Dr. Petra Strehmel die Situation im KiTa-Feld und unterstrich: „Es gibt aktuell so viele Probleme vom Personalmangel bis zu fehlenden finanziellen Ressourcen und wir haben das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Jetzt gilt es aber nach vorne zu schauen!“ Wie ihre Vorstandskollegin Prof. Dr. Susanne Viernickel ergänzte, sei es Ziel der Konferenz „ohne Zeitdruck Räume zu schaffen um über die Zukunft des KiTa-Systems nachzudenken, kreative Ideen zu entwickeln und eine produktive Aufbruchstimmung zu schaffen.“
Unter der Moderation von Jutta Weimar und Frederik Wortmann richteten die Teilnehmer*innen ihren Blick aber zunächst einmal zurück in die Vergangenheit – und zwar im Hinblick auf „Persönliches“, „Weltgeschichtliches“ und auf die „Geschichte des Kita-Systems“ seit 1989. Auf drei großen Zeitleisten kamen so eine Vielzahl von zum Teil auf verblüffende Weise koinzidierenden historischen Ereignissen und Meilensteinen zusammen – von der Geburt eigener Kinder, dem „PISA-Schock“ und den Rechtsansprüchen auf Kindergarten- und Krippenplätzen bis zur Wahl Donald Trumps und dem Aufkommen nationalistischer und rechtspopulistischer Bewegungen.
In einem zweiten Schritt richtete sich der Fokus im Plenum auf politische, soziale, technische oder auch umweltbedingte Entwicklungen, die unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen werden. So entstand eine weit verzweigte Mindmap, auf der die Teilnehmer*innen schließlich aus ihrer Sicht die wichtigsten Trends bepunkteten. Im Ergebnis kristallisierten sich folgende Haupttrends heraus:
Trends mit zunehmender Bewegung:
Trends mit abnehmender Bewegung:
Nach weiteren Reflexionsschleifen zur persönlichen Einschätzung der jeweiligen Entwicklungstrends sowie der in den letzten Jahren erreichten Dinge, die die Teilnehmer*innen mit Stolz bzw. Bedauern erfüllten, richtete sich der Blick schließlich in die Zukunft. In Kleingruppen wurden Visionen für das Kita-System 2025 entwickelt: Wie sind die Rahmenbedingungen für die frühkindliche Bildung, welche Beziehungen gibt es zwischen den Ebenen des Feldes oder zwischen den Erwachsenen und Kindern in der Kita? Welche Programme und Projekte wurden verwirklicht und welche Wirkung bringt das Kita-System 2025 hervor?
Mit Lust, Kreativität und auch einem Schuss Radikalität entstanden in den Gruppen ganz unterschiedliche inhaltliche Szenarios für die Zukunft, die dann im Plenum unter großem Beifall szenisch dargestellt wurden: Als Jubiläumsfeier (der BAG BEK), als Nachrichtensendung „Kita vor acht“, als Szenen aus der „Kitopia in Diversien“ oder als hoffnungslos überlaufene Infoveranstaltung im Arbeitsamt für den neuen Traumjob Erzieherin. Schon hier kristallisierten sich große Schnittmengen heraus: In das Kitasystem fließen endlich die finanziellen Ressourcen, die notwendig sind und auch die Wirtschaft beteiligt sich daran mit 2 Prozent ihres Umsatzes. Nach einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wird entsprechend der UNO-Kinderrechtskonvention jede Entscheidung unter dem Vorrang des Kindeswohl getroffen und das Bundesfamilienministerium ist zum größten in der Regierung geworden. Die Ebenen des Systems der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung sind von der Politik über die Träger, Fachberatung, Aus- und Weiterbildung, Forschung und KiTa-Praxis bestens vernetzt und die Kinder werden auf allen gesellschaftlichen Ebenen konsequent beteiligt – so auch in einem Kinderbeirat der Bundesregierung. „Die Welt gehört in Kinderhände / Dem Trübsinn ein Ende / Wir werden in Grund und Boden gelacht / Kinder an die Macht“ – ganz im Sinne dieser Liedzeilen von Herbert Grönemeyer wurde die Zukunft des Feldes von den Teilnehmer*innen visionär durchdekliniert.
In weiteren Arbeitsschritten wurden daraufhin die in den Zukunftsvisionen schon sichtbaren gemeinsamen Grundeinstellungen und Werte noch einmal fokussiert, präzisiert und schließlich in ein gutes Dutzend Kernsätze gegossen:
Zum Abschluss der BAG BEK Zukunftskonferenz wurden den gesammelten Kernsätzen konkrete Vorhaben und Projekte zugeordnet und nächste Schritte verabredet – so zum Beispiel die Sondierung bzw. Vorbereitung einer Klage gegen das Gute KiTa Gesetz unter dem Aspekt des Vorrangs des Kindeswohls oder die Überprüfung von Curricula der Hochschulen im Hinblick darauf, ob hier die Kinderrechte und die Partizipation der Kinder ausreichend thematisiert sind. Als gemeinsame Plattform und Vernetzungsinstanz für alle relevanten Akteur*innen soll auch die BAG BEK weiter ausgebaut und Themen der Zukunftskonferenz auf ihren nächsten Tagungen weiter bearbeitet werden.
Insgesamt entstand in diesen Tagen so der gemeinsame Schwung für die stille oder auch laute Revolution des Kitasystems. Wie BAG BEK-Vorstand Prof. Dr. Susanne Viernickel zum Abschied formulierte, gelte es jetzt die nächsten Schritte tatsächlich zu gehen und dabei „radikal zu denken und rational zu handeln!“