»Bildung für eine nachhaltige Entwicklung« (BNE) ist ein Konzept, das Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigen soll. Es liefert Bildungseinrichtungen einen Rahmen, um die Menschen auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen vorzubereiten und dabei Zeichen für mehr Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit zu setzen. Auch Kitas können Lernorte nachhaltiger Entwicklung werden. Im Folgenden werden einige Fragen beantwortet, die sich für Mitarbeitende, Eltern und Kinder hier stellen.
Fridays For Future, Rezo-Video, Waldbrände, CO2-Steuer: Kaum ein Thema bestimmt die aktuelle gesellschaftliche Debatte so sehr wie der Klimawandel und unser Umgang damit. Bei aller Kontroverse in der Diskussion, wird dennoch eines deutlich: Es gibt große, ja elementare Herausforderungen und ob wir wollen oder nicht, es wird eine große Transformation vonnöten sein, um eine nachhaltige Entwicklung zum Schutz unserer Lebensgrundlage, der Erde, zu gewährleisten.
Die Komplexität des Themas macht seine Bearbeitung schwierig. Es gibt keine eindeutigen Schuldigen und Verursacher auf der einen Seite oder Opfer und Geschädigte auf der anderen Seite. Wir sind Verursacher und Opfer zugleich. Angesichts der Lage sind wir alle dazu aufgerufen, unseren Beitrag für eine friedliche, sozial gerechte, wirtschaftlich sinnvolle und klimaschonende Lebensweise zu leisten. Nur was hat das alles mit der Kita zu tun?
Es lohnt sich, die drei zentralen Begriffe »Bildung«, »Nachhaltigkeit« und »Entwicklung« genauer anzusehen. Im Zentrum seht der Begriff Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bedeutet vereinfacht gesagt, so zu leben, dass auch andere Menschen hier und anderswo, heute und in Zukunft gut leben können. Unsere Lebensweise muss so gestaltet sein, dass sie nicht auf Kosten von Menschen hier und in anderen Weltregionen oder zukünftiger Generationen geht. Wir müssen uns eingestehen, dass uns dies nicht immer gelingt – wenn auch häufig ohne böse Absicht. Wir verschwenden zu viele Ressourcen, vernichten Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen und nutzen Produkte, die von Menschen unter unwürdigen Bedingungen hergestellt wurden.
Nötig ist also eine Entwicklung. Dieser Begriff macht deutlich, dass ein längerer Prozess von vielen Beteiligten notwendig ist, um Dinge anders oder eben nachhaltig zu tun. Es gibt hierfür keine einfachen Lösungen, es ist vielmehr ein gemeinsamer Lernprozess.
Und Bildung ist für diese Entwicklung ein wichtiger Motor. Idealerweise wissen alle Menschen um die Hintergründe von Nachhaltigkeit und können sich Methoden und Wissen aneignen, um auf die oben benannten globalen Herausforderungen reagieren zu können. Dabei geht es auch häufig darum, Widersprüche auszuhalten und Entscheidungen unter Unsicherheit fällen zu können.
Auch Kindertageseinrichtungen können zu Lernorten nachhaltiger Entwicklung werden. In vielen engagierten Kitas gibt es bereits nachhaltige Ansätze und Verhaltensweisen. Unsere Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Kitas zeigt, dass die Arbeit mit dem Konzept einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung nicht nur einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leistet, sondern auch für die Qualitätsentwicklung der Einrichtung selbst sehr gewinnbringend sein kann.
Es geht also nicht darum, den Kindern beizubringen, dass sie keine Abfälle in die Natur schmeißen dürfen oder Papier von zwei Seiten beschreiben müssen. Sicher kann dieses Bewusstsein bei den Kindern am Ende der Beschäftigung entstehen. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung möchte den Kindern keine Verbote erteilen und belehrend sein, sondern Kompetenzen vermitteln, die ihnen helfen, selbstverantwortlich und zukunftsorientiert Entscheidungen zu treffen. Partizipation ist deshalb eine der zentralen Säulen einer gelingenden Bildung für eine nachhaltige Entwicklung.
Eine Gruppe von Kindern zerknüllt eine große Rolle Packpapier. Eine beobachtende Kollegin wird ärgerlich und möchte die Kinder ermahnen, dies nicht mehr zu tun. Anstatt die Kinder für ihr (aus Kindersicht vollkommen legitimes) Verhalten zu tadeln, begibt sie sich mit den Kindern auf Spurensuche. In der nächsten Morgenrunde legt sie eine Klopapierrolle, ein Stück Holz und eine Seite Druckerpapier in die Mitte des Raums und beginnt mit den Kindern darüber zu spekulieren, was wohl wie hergestellt wird bzw. woher es stammt. Dass Papier aus Bäumen hergestellt wird, wussten nur die wenigsten.
Durch Ausflüge in den Wald und zu einer Papierfabrik, werden Zusammenhänge verdeutlicht. Die Kinder können im Kreativraum selbst Papier schöpfen und erfahren, dass Papier-Recycling Sinn hat und wie aufwändig die Herstellung dieses Alltagsmaterials ist. Bei einem Besuch auf einem Recyclinghof sehen sie, wie die Wiederverwertung in großem Maßstab aussieht. Durch Buchbetrachtungen und Bildmaterial flankiert die begleitende pädagogische Fachkraft die Auseinandersetzung der Kinder mit dem Thema Papier. Sie machen sich z.B. auch Gedanken über unterschiedliche Waldarten und über die Vertreibung von Menschen durch Waldrodungen.
Durch eine Abschlussausstellung ihrer Ergebnisse werden Eltern auf das Thema aufmerksam und der Kreativbereich der Kita wird von nun an mit Papierspenden aus einer Druckerei beliefert, die dort in großem Maßstab als Abfälle anfallen. Inspiriert von der Arbeit in der Gruppe entscheidet die Leitung, für den Bürobedarf auf (kostengünstigeres!) Recycling-Papier umzustellen.
In diesem Praxisbeispiel stecken zentrale Kriterien von Bildung für eine nachhaltige Entwicklung: Die Kinder konnten sich mit Ideen einbringen und eine spürbare Veränderung ihres Alltags erleben (Alltagsrelevanz und Handlungsorientierung). Sie haben eine Vielfalt an Lernzugängen genutzt (Philosophieren mit Kindern, Ausflüge, Experimente, Ausstellung, Medieneinsatz). Außerdem konnten sie sich ein mehrdimensionales Bild des Themas machen. Neben ökologischen Aspekten, tauchten auch Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, ökonomischer Sinnhaftigkeit und kulturellen Leitbildern auf.
Neben dem pädagogischen Bereich stellen räumliche Strukturen oder Rituale dauerhafte Bildungsanlässe für Kinder dar. Hier lassen sich viele Orte oder Dinge nennen, die den Kindern immer wieder Anlass bieten, sich mit Aspekten einer nachhaltigen Entwicklung auseinanderzusetzen:
All diesen Beispielen gemein ist, dass sie dauerhaft in die Struktur der Kita übergehen und damit zum dauerhaften Anlass werden können. Sie bleiben somit über eine rein projektorientierte Beschäftigung der Kinder hinaus bestehen und bieten immer wieder Anstoß, über Nachhaltigkeit nachzudenken.
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WELCHE BEREICHE IN DER KITA KÖNNEN BILDUNG FÜR EINE NACHHALTIGE ENTWICKLUNG BERÜCKSICHTIGEN?
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Der Bereich der Bewirtschaftung und Beschaffung unterliegt besonders stark der Verantwortung der Entscheidungsträger wie Leitungen und Kita-Trägern. Die Kita hat bezogen auf die Verwendung und den Einkauf von Produkten Spielräume und Verantwortung:
Im Alltag überschneiden sich die Maßnahmen im Bereich der Pädagogik, der räumlichen Gestaltung der Kita und der Bewirtschaftung idealerweise. Um Bildung für eine nachhaltige Entwicklung dauerhaft einzuführen, ist es auch notwendig, dass sich das Team über die Bedeutung dieses Bildungsansatzes informiert und gemeinsam an einem Strang zieht. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung stellt kein zusätzliches Thema neben anderen dar, es lebt von seiner integrativen Kraft als Querschnittsaufgabe. Themen wie Ernährung, Abfall, Gerechtigkeit, Wasser, Boden oder Energie sind für Kleinkinder ohnehin alltäglich. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung kann einen Rahmen liefern, diese Alltagsthemen unter dem Blickwinkel von Zukunftsfähigkeit und Gerechtigkeit zu betrachten.
Um Bildung für eine nachhaltige Entwicklung einzuführen, empfiehlt sich die Teilnahme an Fortbildungen, ggf. auch Inhouse-Schulungen, um das gesamte Team für das Engagement zu begeistern. Klar ist dabei auch, dass es sich um einen werteorientierten Ansatz handelt und eine persönliche Motivation bei den Mitarbeitenden hilfreich ist. So können sich die pädagogischen Mitarbeitenden als Vorbilder im Hinblick auf Nachhaltigkeit verstehen und ressourcenschonendes Verhalten im Alltag vorleben. Aus der Erfahrung mit Projekten wie KITA21 zeigt sich, dass es am Anfang häufig engagierte Einzelpersonen sind, die eine solche Entwicklung anschieben. Durch eine individuelle Auseinandersetzung der Teammitglieder (z.B. im Rahmen von Fortbildungen) entsteht dann nach und nach eine gemeinsame Vision einer BNE-Kita. Oft mündet eine langjährige Beschäftigung auch darin, dass Kitas Bildung für eine nachhaltige Entwicklung als Rahmen in ihre Konzeption aufnehmen.
Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in der Kita keinesfalls nur die Kinder in den Blick nimmt. Es geht um einen Lernprozess für die gesamte Institution – und ihr Umfeld! Kitas sind Lernorte in Kommunen (oder Stadtteilen), in denen sich Menschen begegnen. Häufig stößt das Engagement der Kitas auch Veränderungsprozesse in den Haushalten der Herkunftsfamilien an, z.B. in Bezug auf die Verpflegung der Kinder, den Umgang mit Kleidung oder Energie. So kann durch das Engagement für mehr Nachhaltigkeit eine Begeisterung bei anderen Menschen entstehen, indem z.B. bei Stadtteilfesten oder in der Kita-Zeitung die Ergebnisse der Kita-Arbeit präsentiert werden. Häufig entwickeln sich auch Bildungspartnerschaften mit Akteuren in den Kommunen, z.B. zu anderen Nachhaltigkeitsakteuren, zu Bildungsanbietern wie den Volkshochschulen oder zu den klassischen Umwelt-NGOs. Auch die Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen (Landwirte, Tischler, Imker, Supermärkte usw.) kann gewinnbringend für die Kita sein. Häufig können die Kinder bei Ausflügen zu diesen Betrieben Hintergründe über Alltagsprodukte erfahren, Zusammenhänge begreifen und die Kita kann dort idealerweise direkt Produkte beziehen.
Fazit
Häufig fühlen sich Menschen aufgrund der riesigen globalen Herausforderungen ohnmächtig. Und auch die Vielzahl an Anknüpfungspunkten, die im Beitrag bereits genannt wurden, können einen im ersten Schritt überfordern. Aus der langjährigen Erfahrung mit Kita-Projekten zu Bildung für eine nachhaltige Entwicklung zeigt sich aber, dass nahezu jede Kita bereits erste Schritte in Richtung mehr Nachhaltigkeit gegangen ist. Dieses Potenzial auszubauen und das Engagement zu vertiefen ist ein wichtiges Ziel. Auch hilft es, sich darüber bewusst zu sein, dass es ein längerer Prozess ist und sich nicht alles sofort umsetzen lässt. Häufig gibt es Faktoren wie Zeit, Geld, Personalmangel oder organisatorische Gegebenheiten, die erschwerend sind. Nichtsdestotrotz ist es immer ein erster kleiner Schritt, der eine Entwicklung in Gang bringt – Schritt für Schritt im eigenen Tempo.
Viele pädagogische Fachkräfte erfüllt die Beschäftigung mit Bildung für eine nachhaltige Entwicklung mit großem Sinn und dem Gefühl, an einer notwendigen Entwicklung teilzuhaben. Heute die Zukunftsgestalter von Morgen zu begleiten und im Jetzt Alternativen vorzuleben – allemal eine lohnenswerte Aufgabe!
»Erfolgreich starten« – Handreichung zu BNE in Kitas
Wie sieht Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) in der Kita-Praxis aus? Was macht eine Kita zu einem Lernort für zukunftsorientiertes Denken und Handeln? Auf diese und viele weitere Fragen soll mit dieser Broschüre Antwort gegeben werden. Als Handreichung zu den schleswig-holsteinischen Bildungsleitlinien »Erfolgreich starten« versteht sich diese Broschüre auch als Praxishilfe zur Ausgestaltung des in den Leitlinien formulierten Handlungsprinzips einer nachhaltigen Entwicklung. Die Broschüre basiert auf den Erfahrungen, die im Zuge der Umsetzung der Bildungsinitiative KITA21 von der S.O.F. im Laufe von mehr als 10 Jahren gewonnen wurden. UNESCO-Handreichung: Was einen ganzheitlichen Lernort ausmacht
Kurzzusammenfassung
Die Deutsche UNESCO-Kommission hat in Zusammenarbeit mit der S.O.F. ein Papier erstellt, das auf zwei Seiten zusammenfasst, was eine Kita zu einem ganzheitlichen Lernort für zukunftsfähiges Denken und Handeln macht.
Zum Download
S.O.F. Save Our Future – Umweltstiftunghttps://www.saveourfuture.de/