Nifbe Logo.
Startseite » Fachbeiträge » Welche Potenziale bieten multikulturelle Teams?
Startseite » Wissen & Weiterbildung » Wissen » Fachbeiträge » Welche Potenziale bieten multikulturelle Teams?
Hinweis
Aufgrund einer technischen Umstellung werden einige Fachbeiträge leider nicht in der gewohnten Qualität angezeigt. Wir freuen uns Ihnen unsere Fachbeträge in Kürze wieder optimal präsentieren zu können.

Welche Potenziale bieten multikulturelle Teams?

image_print

Multikulturelle Teams bringen eine Vielfalt an Ressourcen und Kompetenzen mit, die für eine kultursensitive inklusive pädagogische Arbeit von großer Bedeutung sein können. Diese auch gut zu nutzen, stellt Teams manchmal vor Herausforderungen.

Die Struktur pädagogischer Teams passt sich erst langsam der multikulturellen Realität in den Angeboten der Kindertagesbetreuung an. Im Schnitt hat jedes dritte Kind von 0- 5 Jahren einen Migrationshintergrund und spricht zu Hause eine nicht-deutsche Familiensprache (1). Dagegen arbeiten immer noch sehr wenige Personen mit diesen Merkmalen in der frühkindlichen Bildungslandschaft (2). Dabei zeigen immer mehr Forschungsergebnisse, dass eine auf die multikulturelle und multilinguale Realität der Kinder abgestimmte Personalstruktur bzw. ein diesbzgl. abgestimmter Sprachgebrauch bei frühkindlichen Betreuungsangeboten sinnvoll ist. Das Potenzial von multikulturellen Teams wird demnach im Alltag noch nicht umfassend genutzt.

Lange wurde die ausschließliche Nutzung der deutschen Sprache in frühpädagogischen Settings gefordert, um alle Kinder gleichermaßen sprachlich auf den Schuleintritt vorzubereiten. (3) Dabei wurde die Bedeutung der Präsenz der Herkunftssprache und -kultur für die kindliche (Sprach-)Entwicklung oft unterschätzt – auf Kosten der Wertschätzung vieler (nicht aller!) herkunftssprachlicher Fähigkeiten. (3) Herkunftssprachen sind essentiell für die Entwicklung der kulturellen Identität, von Emotionen und Denken (4). Ihr Gebrauch beinhaltet und vermittelt Gefühle, implizit auch Werte und Normen und kann daher nicht getrennt vom kulturellen Hintergrund betrachtet werden. Zunehmend wird daher beides, die Wertschätzung von multikulturellen Hintergründen und die Förderung von Mehrsprachigkeit im Sinne des inklusiven Gedankens immer mehr in die Bildungs- und Erziehungspläne aufgenommen (5). Ziel ist es u. A. die deutsche Sprache in einem den gesellschaftlichen Gegebenheiten angepassten Rahmen zu erlernen, d. h. die Sprachen- und Kulturvielfalt nicht auszublenden, sondern die Vorteile von multikulturell zusammengesetzten Gruppen und Teams effizient dafür zu nutzen.

Was können multikulturelle Teams nun leisten, um alle Kinder in frühpädagogische Angebote erfolgreich einzubinden? Wo entstehen dabei besondere Herausforderungen?

Potenziale

Mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Team zu haben, kann das Verständnis für Migrationsprozesse und Fremdspracherwerbsprozesse verbessern und einen tieferen Einblick in andere Kulturen bieten. (6) Die Reflexion der eigenen Lebens- und Sprachbiographie, sowie die Diskussion darüber im Team, können einen bewussteren Umgang mit Sprache und unterschiedlichen, kulturspezifischen Lebensmodellen im pädagogischen Alltag des Teams fördern. Die eigene und die professionelle Haltung gegenüber bestimmten Herkunftssprachen und Lebensmodellen kann so erforscht, im Team kann kontinuierlich eine gemeinsame pädagogische Haltung und ein gemeinsames Vorgehen erarbeitet werden. (6) Wenn alle Kulturen und Herkunftssprachen als Reichtum betrachtet werden, kann eine ausgewogene Konzeption im Team entstehen. Alle im Team vorhandenen Kompetenzen fließen in die pädagogische Arbeit gleichberechtigt ein, so dass kulturelle und sprachliche Vielfalt wirklich gelebt wird.

Kinder, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind, können dann bestenfalls bei Bedarf auf eine Person zurückgreifen, die sie versteht, die ihre Emotionen in einer multikulturellen und multilingualen Situation in der Sprache und Weise auffangen kann, die die Kinder (noch) am besten verstehen und in der sie sich (noch) am besten emotional und verbal ausdrücken können. (6) Wenn ein Kind traurig ist, können z. B. ein paar Worte, Gesten in der Herkunftssprache sehr tröstend sein. Sie transportieren einen Teil der zu Hause gelebten Kultur, die somit automatisch einen sicht- und fühlbaren Platz im außerfamiliären Betreuungssetting erhält. Kinder werden damit gleichzeitig bei der Entwicklung einer positiven Einstellung zur eigenen Kultur und Sprachlichkeit unterstützt. (3) Andere Kinder erfahren unterschiedliche Kulturen hautnah mit, Berührungsängste können so gar nicht erst entstehen und das Miteinander wird gestärkt.

{AF}
„Als ich hier nach Deutschland gekommen bin,…war alles für mich unsicher… Deswegen habe ich gedacht, für die zwei-sprachigen Kinder ist es auch immer sehr wichtig, dass die Kinder mir ihrer eigenen Sprache erst mal also sprechen. .. Und sich sicher und vertraut fühlten.“ (türkisch-deutsche Erzieherin)
{/AF}

Zusammenarbeit mit Eltern

In der Zusammenarbeit mit Eltern können Fachkräfte mit multikulturellen und mehrsprachigen Kompetenzen das Vertrauen und die Empathie der Eltern für die professionelle Arbeit im Team stärken und das Sichtbarwerden aller Kulturen und Sprachen im Betreuungsalltag weiter befördern. (3) Auf kulturelle Eigenheiten der Familien kann eingegangen werden, kulturelle Missverständnisse vermieden werden und Hemmschwellen bei der Kommunikation zwischen Fachkraft und Familie niedrig gehalten werden. So trauen sich bestimmte Familien evtl. auch eher sich und ihre Bedürfnisse einzubringen. Familien kann der Zugang zum Bildungssystem so potentiell leichter nähergebracht werden. Der situationsangemessene, selbstverständliche Gebrauch der jeweiligen Herkunftssprachen ist damit ein Gewinn für alle.

Herausforderung

Herausfordernd für die Teams kann es sein, wenn es starre monolinguale Vorgaben für die pädagogische Arbeit vor Ort gibt und einzelne Teammitglieder sich eingeengt und in ihren zusätzlichen kulturellen und sprachlichen Kompetenzen nicht wertgeschätzt sehen. Möglicherweise kann bei einigen pädagogischen Fachkräften dann der Eindruck entstehen, sie müssten „ihre sprachliche Herkunft unbemerkbar (…) machen, um wie deutsche Team-mitglieder angesehen zu werden“. Auch auf seine kulturelle Herkunft bzw. seine Sprache reduziert zu werden und die eigenen pädagogischen Kompetenzen in der Wahrnehmung der Kolleginnen und Kollegen verblassen zu sehen, kann für die einzelne Fachkraft potentiell belastend sein. Die Fachkraft soll ja nicht ausschließlich für die Überwindung von kulturellen oder Sprachbarrieren im Einsatz sein. (6) Hier ist das ganze Team gefragt, solchen Prozessen bewusst entgegenzusteuern. Wichtig ist dabei, Rollen und Funktionen im Team transparent für alle zu klären und wertschätzend, lösungsorientiert untereinander zu kommunizieren, so dass kulturelle Vielfalt in ihrer gleichwertigen und -berechtigten Form für alle leb- und erlebbar ist.

Anmerkungen:
(1) Destatis (2019). Bevölkerung in Privathaushalten nach Migrationshintergrund und Altersgruppen. https://www.destatis.de/ DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Tabellen/migrationshintergrund-alter.html

Fuchs-Rechlin, K. & Strunz, E. (2014). Die berufliche, familiäre und ökonomische Situation von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen. Sonderauswertung des Mikrozensus 2012. Frankfurt/M.

Panagiotopoulou, A. (2016). Mehrsprachigkeit in der Kindheit. Perspektiven für die frühpädagogische Praxis. WiFF-Expertise Band 46. München: DJI.

Lüdtke, U. (2012). Person und Sprache. In O. Braun & U. Lüdtke (Hrsg.), Sprache und Kommunikation. Behinderung,

Hinweis:

Dieser Text ist im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des vom Bundesfamilienministerium geförderten Programms „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ durch das nifbe entstanden. Er ist ein Teil des digitalen Sammelordners „Kita-Einstieg Wissen kompakt“ mit knappen prägnanten Texten zu diesem Themenbereich und einer Einführung zum Hintergrund.

Zum Programm KiTa-Einstieg

Transferwissenschaftlerin | anna.dintsioudi@nifbe.de

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ko- und Transferzentrum

 

Themen- und Arbeitsschwerpunkte:

 

  • Wissenschaftliche Begleitung des Bildungsschwerpunktes „Vielfalt leben und erleben!“
  • Wissenschaftlich-konzeptionelle und fachlich-inhaltliche Prozessbegleitung des Bundespro-grammes „Kita-Einstieg - Brücken bauen in frühe Bildung
  • Kulturvergleichende entwicklungspsychologische Themen der frühen Kindheit
  • Migration und Akkulturation
  • Interkulturelle Kompetenz und kultursensitive Arbeit in der Kita
  • Diskriminierung im Kita-Alltag anhand von Vielfaltsdimensionen
  • Kultursensitive Sprachbildung

Ausgewählte Publikationen

Bücher und Ganzschriften

 

  • Albers, T., Bereznai, A., Dintsioudi, A., Hormann, O., Jungmann, T., Koch, K., Kwasnik, N., Lamm, B., Licandro, U., Lüdtke, U., Madeira Firmino, N., Schröder, L., Stitzinger, U. & Zimmer, R. (2017). Sprachliche Bildung und Förderung aus interdisziplinärer Perspektive. In Bereznai, A. (Hrsg.), "Mehr Sprache im frühpädagogischen Alltag – Potentiale erkennen Ressourcen nutzen (nifbe- Schriftenreihe „Im Dialog”) (S. 13-26). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A. (2017). Migrant/in gleich Migrant/in? – Oder: wie unterschiedlich kann das Ankommen sein? In Lamm, B. & nifbe (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kompetenz. Kultursensitive Arbeit in der Kita (S.36-47). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A. Borg-Tiburcy, K., Kruse-Heine, M., Martzy, F., Sauerhering, M., & Völker, S. (2016). Wissen, Haltung & Handlungskompetenz für die Arbeit mit Kindern und Familien mit Fluchterfahrung in der Kita. Nifbe-Themenheft Nr. 30.
  • Dintsioudi, A. & Schröder, L. (2017). Alltagsbasierte kultursensitive Sprachbildung. Sprachstile und deren Wirkung auf die kindliche (Sprach-)Entwicklung? In B. Lamm / nifbe (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kompetenz. Kultursensitive Arbeit in der Kita (S.180-187). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A. & Lamm, B. (2017). Was heißt interkulturelle Kompetenz? – Grundlagen und Begriffsbestimmungen für die pädagogische Praxis. In B. Lamm / nifbe (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kompetenz. Kultursensitive Arbeit in der Kita (S.11-22). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A. & Schröder, L. (2018). „Ich und Du“ oder „Wir und Sie“? Die Berücksichtigung kulturspezifischer Sprachstile im Kita-Alltag. Handreichung „Kultursensible Kita-Pädagogik: Praxiseinblicke sowie entwicklungspsychologische, sprachwissenschaftliche und rechtliche Aspekte“ des Verbandes Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (VETK) im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. und der Evangelischen Hochschule Berlin im Rahmen des Projektes „Berliner Modellkitas für die Integration und Inklusion von Kindern aus Familien mit Fluchterfahrung“.
  • Dintsioudi, A. & Schröder, L. (2017). „Sprachkultur in der Kita“- Ein kultursensitiver und alltagsbasierter Sprachbildungsansatz. In Bereznai, A. (Hrsg.), "Mehr Sprache im frühpädagogischen Alltag – Potentiale erkennen Ressourcen nutzen (nifbe- Schriftenreihe „Im Dialog”) (S. 39-52). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A., Keller, H.,List, M.K. & Schröder, L.(2013). Sprachliche Bildung im Kita-Alltag- Gespräche mit Kindern anregen und lebendig gestalten. DVD. Berlin: Cornelsen. ISBN-10: 3589248394. 

Aufsätze

  • Borke, J. & Dintsioudi, A. (2013). Autonomie und Verbundenheit. Ansätze zum Umgang mit kultureller Vielfalt in der Frühpädagogik. Thema Jugend. Zeitschrift für Jugendschutz und Erziehung, vol.3,13-15.
  • Borke, J., Dintsioudi, A., Hawelleck, C. &Rolfes, W. (2011). Auf dem Weg zu einer kultursensitiven Familien-, Erziehungs- und Entwicklungsberatung. Anregungen aus dem Praxis- Wissenschaftsdialog des Projektes „Blickpunkt Baby“. Horizonte, 11, Landesarbeits-gemeinschaft für Erziehungsberatung Niedersachsen e.V., gefunden am 23.05.2011, Verfügbar unter http://www.erziehungsberatung-niedersachsen.de/page33/page33.html[18.08.2019].
  • Dintsioudi, A. (2010). Sozialisation im Kulturvergleich: Mögliche Konsequenzen für die Bildungsarbeit. Verband deutscher Musikschulen (Hrsg.): Kulturelle Vielfalt in der Elementarstufe/Grundstufe. Bonn: VdM-Verlag
  • Dintsioudi, A. (2016). Eingewöhnung in Kita und Krippe kultursensitiv gestalten. KiTa aktuell. Fachzeitschrift für Leitungen, Fachkräfte und Träger der Kindertagesbetreuung. Ausgabe 10/2016
  • Dintsioudi, A. (2018). Stereotyp, Vorurteil oder doch schon Diskriminierung? Online-Text in der Reihe „Wissen Kompakt“ des Bundesprogrammes „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“. Verfügbar unterhttps://kita-einstieg.fruehe-chancen.de/service/wissen-kompakt [18.08.2019].
  • Dintsioudi, A. (2018). Wie entstehen ungleiche Bildungschancen und was kann man dagegen tun? Online-Text in der Reihe „Wissen Kompakt“ des Bundesprogrammes „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“. Verfügbar unter https://kita-einstieg.fruehe-chancen.de/service/wissen-kompakt [18.08.2019].
  • Dintsioudi, A.,Keller, H., List, M.K., Schröder, L. & Vollbehr, M. (2018). Teachers’ Conversational Style and Children’s language development in German Childcare Centers: A Culture- Sensitive Intervention.  Journal of Cross Cultural Psychology. 50 (2), 164-184.

Niedersächsisches Institut
für frühkindliche Bildung und Entwicklung e.V.
Jahnstraße 79
49080 Osnabrück
Tel: 0541 - 58 054 57 - 0
E-Mail: info@nifbe.de
"Im Mittelpunkt der Arbeit des nifbe steht das Kind in seinem sozialen Kontext und mit seinem Anspruch auf bestmögliche Förderung und Begleitung von Anfang an."
Nifbe Logo.
Niedersächsisches Institut
für frühkindliche Bildung und Entwicklung e.V.
Jahnstraße 79
49080 Osnabrück
Tel: 0541 - 58 054 57 - 0
E-Mail: info@nifbe.de
"Im Mittelpunkt der Arbeit des nifbe steht das Kind in seinem sozialen Kontext und mit seinem Anspruch auf bestmögliche Förderung und Begleitung von Anfang an."
Newsletter