Wer sich um sich selbst dreht, spinnt einen Kokon anstelle eines Netzes. Unsere Autorinnen verbinden Fachschulen und Praxisstellen miteinander. Sie wissen: Zur Vernetzung braucht man feine, elastische Fäden mit vielen Knotenpunkten. Erfahren Sie, an welche drei Achsen Sie Ihr Netzwerk am besten knüpfen und welche Fallstricke es zu überwinden gilt.
Das Telefon klingelt, die Fachakademie ist dran. Ob wir einen Praxistag an der Schule gestalten könnten, die Abschlussklasse hätte sich ein Thema gewünscht, zu dem sie sich noch nicht gut auf den Berufsalltag vorbereitet fühlten. „Machen wir gern!“, sagt Anke Wolfram. Sie leitet die Kita Waldkinder Regensburg. „Um was soll es denn gehen?“, fragt sie. Stille im Hörer. Die Kooperationslehrerin räuspert sich und sagt: „Die Studierenden wollen wissen: Wie leite ich eine Gruppe?“
Ja, es gibt sie bereits: die Tage, an denen Anleiterinnen und Anleiter in der Fachschule sind, Praxisbesuche und Blockpraktika. Und ja, die Zeit ist knapp, an den Schulen und in der Kita. Trotzdem, wir brauchen mehr Vernetzung zwischen Fachschulen und Praxisstellen. Mit mehr Vernetzung meinen wir: mehr Querverbindungen, mehr Den-an-deren-auf-dem-Schirm-Haben, mehr Die-Dinge-gemeinsam-Angehen. Wir, das sind unser freier Träger LittlebigFuture gGmbH und alle Menschen in Kita, Verwaltung und darüber hinaus, die mit dem Bildungsauftrag verbunden sind.
Dieses Kooperationsverständnis ist in unseren Kitas und dem verpartnerten Staatlichen beruflichen Schulzentrum (BSZ) Regensburger Land in Pielenhofen tief verankert. Statt uns darüber zu ärgern, dass angehende Fachkräfte und damit Gruppenleitungen sich gerade in ihrer Kernaufgabe unzureichend vorbereitet fühlen, freuen wir uns über die Einladung an die Schule. Auch wenn es zunächst nicht nach unserer Aufgabe aussieht: Wir brauchen Absolventinnen und Absolventen, die als gute Fachkräfte in den Beruf starten. Vielleicht ist ihre Qualifizierung heute noch nicht unsere Sache. Aber morgen. Deshalb bringen wir uns ein: mit Praxistagen, Praktikantenleitfaden, Hospitationen, Werkstattgesprächen und Sozialraumprojekten wie dem Wildbienenprojekt.
Die Vernetzung bringt Vorteile für alle Beteiligten: Sie ermöglicht es zum Beispiel, den Naturraum als Bildungsraum in der Ausbildung zu verankern. Sie hilft den Studierenden durch Hospitationen und Praktika im Waldkindergarten, Natur selbst zu erleben. Das ist vor allem für diejenigen wichtig, die als Kinder die Natur nicht intensiv oder negativ erfahren haben.
Die Studierenden erhalten durch die Vernetzung weitere Praxisbezüge. Sie finden Anknüpfungspunkte an die erlernte Theorie und probieren sich aus. Besonders schön gelingt das in den Projekttagen der Fachakademie Pielenhofen. Hier laden die Studierenden unsere Waldkinder an die Schule ein und bieten ihnen verschiedene Stationen zu einem selbst gewählten Thema. Naturwissenschaftliche Experimente, Wasser und digitale Medien standen dabei schon auf dem Plan.
Die Studierenden erwarten die Kinder und stellen sich mit ihren Ideen den jungen Gästen. Ein toller Ausflug für die Kinder, ein wertvoller Realitätscheck für die Studierenden und ein entspannter Tag für unsere Erzieherinnen, die sich im Hintergrund halten sollen. So macht Vernetzung wenig zusätzliche Arbeit und ist in jeder Hinsicht sinnvoll. Ein Gewinn für alle.
Ein anderes Format ist unser Werkstattgespräch, das wir über Regensburg und Bayern hinaus bereits an verschiedenen Fachakademien durchgeführt haben. Mit unserem Anspruch, die Kita von morgen zu bauen (#kitavonmorgen), stellen wir uns als Träger den Studierenden vor und laden sie dazu ein, mit uns darüber nachzudenken, wie diese Kita der Zukunft aussehen müsste.
Von den Teilnehmenden ist jetzt ein starker Transfer gefragt: Was bedeutet all das, was ich gelernt habe, für die Art und Weise, wie Kita gedacht und geführt sein muss? Bei diesem Format blicken wir jedes Mal in aufmerksame und stolze Gesichter. Die Studierenden freuen sich, dass sie gefragt werden, und arbeiten scharfsinnig mit. Als Träger profitieren wir von den frischen, manchmal auch unkonventionellen Ideen der Berufseinsteigenden und verstehen besser, was unseren zukünftigen Mitarbeitenden am Herzen liegt. Interessant ist auch das Feedback der Lehrkräfte, die eher selten mit Trägervertretenden zu tun haben, ihre fachliche Sichtweise aber teilen und viel zum Thema beitragen.
Die Kita profitiert von der Vernetzung mit den Fachschulen doppelt: auf lange Sicht, weil sie die Qualität der zukünftigen Fachkräfte beeinflussen und sich als attraktiver Arbeitsplatz profilieren kann. Bei den Waldkindern Regensburg konnten so letztes Jahr drei offene Stellen schnell nachbesetzt werden. Auf kurze Sicht profitiert die Kita vom direkten Feedback. Hautnah erleben die Studierenden den Kita-Alltag bei Tageshospitationen als Klasse oder in Wochenpraktika sowie bei Projekten, die von der Kita gestartet werden und zu denen die Fachakademie eingeladen wird. Die Studierenden erweisen sich als gute Beobachtende und stellen kluge Fragen. Ihre Perspektive hilft, blinde Flecken in der eigenen Kita zu identifizieren und sich den Ansprüchen einer modernen Pädagogik zu stellen. Die jungen angehenden pädagogischen Fachkräfte bringen neue Kompetenzen ins Team und bereichern das Miteinander durch ihre Persönlichkeit.
„Wann sollen wir das bloß machen?“, fragt Lisa, die in einer Kita in Süddeutschland arbeitet und uns mit großem Interesse besucht. Als Konsultations-Kitas kennen wir solche Einwände. Fehlende Ressourcen sind ein Problem in den Kitas und in den Schulen. Oft hängt die Kooperationsarbeit an wenigen Engagierten, die bereit sind, sich besonders stark einzusetzen. Unsere Partnerschule in Rheinland-Pfalz hat nach eigener Aussage „keinen Cent und keine Minute“, um die Aufgaben im Konsultationsprozess zu bewältigen. In Baden-Württemberg lud uns eine Fachschule zur Gestaltung eines Medien-Projekttags ein, „für null Euro“, sagte die Verantwortliche, „denn wir haben dafür keine Mittel.“
Fehlende Kapazitäten schrecken auch Fachkräfte ab, die grundsätzlich motiviert sind. Gerade dann, wenn sie auf eine hohe Beziehungs- und Bildungsqualität in der Kita Wert legen und angesichts straffer Dienstpläne abwägen müssen zwischen der Zusammenarbeit mit Schulen und Zeit in der Gruppe.
Ein weiterer Fallstrick ist die eigene Erwartungshaltung. Man hört und liest von tollen Projekten. Wer sich mit dem Gedanken trägt, eine Kooperation aufzubauen, und auf diese Projekte blickt, meint schnell, dass es diese Qualität von Vernetzung sein müsse. Doch das täuscht.
Stolze Projekte sind ein Produkt erfolgreicher Vernetzung, nicht aber deren Kern. Ein zu hoher Anspruch kann lähmen: Wer etwas Großes auf die Beine stellen möchte, gleichzeitig aber unter Zeitmangel leidet und obendrein streng mit sich selbst ist, sieht sich einer unlösbaren Aufgabe gegenüber – und kommt nicht richtig ins Handeln.
Vernetzung ist leicht wie Spinnenseide. Die Stärke der Netze besteht nicht in wenigen, dicken Strängen. Deshalb zeichnet sich eine starke Kooperation zwischen Kita und Schule auch nicht durch einzelne Aktionen aus – und seien sie noch so eindrücklich. Es sind stattdessen ein feiner Faden mit hoher Elastizität und viele Knotenpunkte, die das Spinnennetz stabil machen. Wir dürfen uns also freimachen von einem Anspruch der Superlative.
Vernetzung beginnt nicht mit Leuchtturmprojekten, sondern dort, wo man an vorhandene Berührungspunkte anknüpft und den Faden weiterspinnt – und sei er noch so unscheinbar. Die Waldkinder Regensburg und ihre Erzieherinnen haben etwa auf einer Seite das Wichtigste für neue Praktikantinnen und Praktikanten notiert. Was brauchst du, was erwartet dich, wie verläuft dein erster Tag bei uns? Der Zettel macht es allen leichter: Er sorgt nicht nur für warme Füße, weil die Studierenden sich für das richtige Schuhwerk entscheiden, sondern er wärmt auch das Herz, weil sie sich gesehen und willkommen fühlen. Diese Achtsamkeit wird wahrgenommen und kommt in Form von motivierten, wetterfesten Auszubildenden zurück.
Praktikantenleitfaden: Welche Informationen brauchen Studierende, damit sie gut bei uns starten können? Die Fragen sind: Was brauchst du, was erwartet dich, wie verläuft dein erster Tag bei uns?
Fachschule einladen: Nutzen Sie Veranstaltungen und Aktionen, um die Fachschulen einzuladen: Tag der offenen Tür, Adventssingen im Senioren heim, Faschingsumzug der Kommune – eine Chance, sich gegenseitig kennenzulernen.
Hospitationen anbieten: Die Studierenden können Aufgaben übernehmen: vorlesen, beim Ausflug ein Kind an die Hand nehmen, Reißverschlüsse öffnen, mitspielen und sich von den Entdeckungen der Kinder begeistern lassen. Bereichernd ist auch zu hören, welche Eindrücke sie gewinnen.
Fachgespräche ermöglichen: „Geht das überhaupt?“ oder „Wie sieht das in der Praxis aus?“ sind Fragen, die Studierende häufig stellen, wenn sie über Gelerntes reflektieren. Fachkräfte aus der Kita teilen ihre Erfahrungen gern, geben Wissen und Methoden weiter. Die Reflexion stärkt bei allen die Professionalität.
Kita-Projekte an der Schule kommunizieren: Fragen Sie, wer sich ein bringen möchte. Wo könnte das Thema gerade passen? Wer kann sich mit seinen Stärken einbringen?
Regionalwochen des Landkreises: Mit Stand teilnehmen und Schule anfragen, ob sie sich in die Vernetzung mit Standbetreuung einbringen wollen.
Selbst die ambitionierteste Spinne beginnt ihr stattliches Netz mit einem schlichten Flugfaden. Sobald der sich irgendwo verfängt, verankert die geschickte Netzwerkerin ihr Ende des Fadens und verstärkt ihn, bis er als Brückenfaden taugt.
Mittig am Brückenfaden installiert sie eine dritte Achse. Dieses Ypsilon bildet die stabile Grundkonstruktion für ihr Netz. Ein Kontaktangebot, das hängen bleibt, muss nichts Kompliziertes sein. Auch die naheliegenden Ideen können ein großes Potenzial in sich bergen. Zunächst geht es vor allem darum, die anderen mitzudenken und die Möglichkeiten zu sehen: Welche Anknüpfungspunkte gibt es bereits, die sich gut ausbauen und weiterspinnen lassen?
> Was tun wir ohnehin? Können wir das auch gemeinsam tun?
> Gibt es Veranstaltungen oder Themen im Sozialraum, für die wir uns zusammenschließen können?
Aus diesen Fragen entstehen recht schnell Ideen, mit denen es sich lohnt, einfach mal beim anderen anzuklopfen. Der Mut wird belohnt: Wir haben bisher immer positive Resonanz erhalten, das Interesse am Miteinander ist grundsätzlich da. Also nur keine Scheu! Und wer weiß: Vielleicht verfängt sich was und der Anfang ist gemacht.
Um ein tragfähiges Netzwerk zu entspinnen, braucht es die drei Achsen Kita, Fachschule und Träger. Während zwischen Kita und Fachakademie häufig schon Kontakte bestehen, sind die Träger seltener in die Kooperation integriert. Die aktive Mitwirkung des Trägers ist aber wichtig, weil er eine eigene Perspektive hat und den institutionellen Rahmen maßgeblich gestaltet. Der Träger könnte sich daran beteiligen, gemeinsame Aktivitäten von Kita und Fachschule zu begleiten oder auch die Angebote der Kita für die Fachschule zu unterstützen. So kann der Träger etwa Kita-Hospitationen für Schulklassen kostenfrei ermöglichen. Der Träger kann die Netzwerkaktivitäten der Kita bei der Zuteilung und Priorisierung sonstiger Aufgaben berücksichtigen und Dinge abnehmen, die nicht unbedingt Leitung oder Kita-Personal erledigen müssen. Sehr wertvoll im Sinne des Perspektivwechsels und wertschätzend gegenüber dem Netzwerk ist es, wenn die Trägervertretung selbst in der Fachakademie auftritt.
Vom Tag der offenen Tür über die Gestaltung von Fachtagen zu bestimmten Themen oder unser Werkstattgespräch bis hin zum Beisitz im Prüfungsausschuss des Kolloquiums haben wir damit durchweg gute Erfahrungen gemacht.
Echte Erfahrungen, reale Problemstellungen und positive Verknüpfungen sind Grundvoraussetzungen für nachhaltiges Lernen. Das gilt für Kinder ebenso wie für Studierende und Auszubildende, Fachkräfte, Kita-Leitungen oder Träger. Wer sich um sich selbst dreht, spinnt einen Kokon anstelle eines Netzes und ist auf sich allein gestellt. Isolation und Insellösungen können wir uns nicht leisten. Wir brauchen uns gegenseitig und die Synergie der Vernetzung, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen: couragierte Akteure, die ohne Scheu aufeinander zugehen und in die Kooperation investieren. Vernetzte Bildung ist auf allen Ebenen wichtig, um zukunftsfähige Kitas und Fachkräfte zu gewinnen. Wenn wir einander im Blick haben und uns miteinander verbinden, schaffen wir das.
Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
TPS 02-2025, S. 20-23
Barbara Schenk ist Erzieherin und Sozialpädagogin M.A., pädagogische Gesamtleitung der LittlebigFuture gGmbH. Ihr Schwerpunkt liegt in der Organisationsentwicklung und Kinderperspektive.
Anke Wolfram, Leitung der Waldkinder Regensburg, Fachberatung der LittlebigFuture gGmbH, Fortbildnerin mit den Schwerpunkten BNE, Naturraumpädagogik, Partizipation