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Umgang mit „ismen“ im pädagogischen Alltag

Klassismus, Adultismus, Ableismus, Sexismus, Rassismus, Rechtspopulismus, Antisemitismus, Antiziganismus etc. sind implizit und oft auch explizit im Alltag erlebbare Ausgrenzungsformen. Sie alle verbindet, dass hier Menschen anhand einer ihnen zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit eine Ungleichbehandlung widerfährt. Die Ungleichbehandlung zeigt sich in Benachteiligung, Chancenungleichheit bezüglich ihrer Teilhabe in der Gesellschaft oder auch in einer mehr oder weniger sichtbaren Ablehnung durch Teile der Gesellschaft. Die „-ismen“ werden unter dem Begriff gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zusammengefasst (1).

Im pädagogischen Alltag wird Ungleichbehandlung durch interaktionale, strukturelle und institutionel-le Benachteiligung bzw. als Diskrimierung sichtbar.

Welche Rolle spielt Intersektionalität?

Diskriminierungsformen tauchen selten isoliert auf. Oft überschneiden sie sich und erzeugen dadurch sehr spezifische Diskriminierungserfahrungen, die nur in ihrer Gemengelage betrachtet werden können, da sie an individuelle (zugeschriebene) Mehrfachidentitäten gekoppelt sind. Man nennt dies Intersektionalität. Ein dunkelhäutiges Mädchen mit einer eingeschränkten Mobilität macht demnach andere Erfahrungen als ein hellhäutiger Junge mit der gleichen Einschränkung oder ein hellhäutiges Mädchen, das zusätzlich aus einem armutsnahen Familienumfeld stammt. Solche eigenständigen individualisierten Diskriminierungserfahrungen überlappen und verstärken sich gegenseitig.

Betroffene leiden oft bewusst oder unbewusst unter den zumeist immer wieder erlebten Benachteiligungen. Dies kann langfristig negative Folgen auf das eigene Gefühl der Selbstwirksamkeit, der empfundenen Chancengerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit haben und im schlimmsten Fall auch die Unversehrtheit des eigenen Lebens betreffen.
Nicht-Betroffene erkennen die Ausmaße und Aus-wirkungen der „-ismen“ oft nicht und reagieren gegebenenfalls unangemessen. Das Bewusstsein für eigene Statusvorteile und der daraus möglichen Diskriminierungen Anderer zu schärfen, ist eine Herausforderung. Diese gilt es anzugehen, wenn Betroffene sich gesehen und unterstützt fühlen sollen.

Wie kann einem „-ismus“ im Alltag der frühkindlichen Kindertagesbetreuung begegnet werden?

Für die Arbeit in der frühkindlichen Bildungslandschaft ist es wichtig, dass Fachkräfte erkennen (können), welche Formen der Ungleichbehandlung gerade aktiv sind. Wenn ein Ausschluss nicht erkannt wird, dann kann auch nicht dagegen vorgegangen werden. Ein inklusives Grundkonzept kann hier unterstützen. Dies beinhaltet eine stetige Team- bzw. Selbstreflexion im Sinne einer professionellen – Inklusion bejahenden – Haltung. Die Ermöglichung von regelmäßigen Fortbildungen (auch als Auffrischungen) ist wichtig, da inklusives Denken einen stetigen Lernprozess beinhaltet, der nie abgeschlossen ist.

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Beispielhafte Fragen für die Selbstreflexion:

  • Welche Vorurteile und Stereotype kenne ich aus meinem (beruflichen / privaten) Umfeld?
  • Bei welchen Stereotypen und Vorurteilen ertappe ich mich selbst manchmal?
  • Welche Auswirkungen könnten Vorurteile (im beruflichen) Umfeld auf Kinder, Eltern, Fachkräfte haben?
  • Überprüfe ich stetig, ob sich Kinder / Eltern / Teammitglieder plötzlich anders verhalten? Frage ich nach dem Warum, höre ich aktiv zu und nehme ich alle Beteiligten ernst in ihren Anliegen / Sorgen / Ängsten?
  • Habe ich ausreichend Informationen und Vorbereitung, um bei beobachteten Diskriminierungen prompt und fachlich versiert zu reagieren? Brauche ich hier vielleicht Unterstützung?
  • Tausche ich mich im Kollegium über solche Beobachtungen und den Umgang damit aus?
  • Welche Werte werden im Team gelebt und wie werden diese eigentlich im Alltag sichtbar?
  • Wird über möglicherweise vorhandene Diskriminierungen im Team diskutiert? (Wie) wird an inklusiven Konzepten für Angebote gearbeitet? Gibt es bei den Angeboten stereotype Darstellungen von Personen (z. B. in Büchern oder bei Spielmaterialien)?

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Betroffene und diejenigen, die sich ausschließend bzw. diskriminierend äußern, sollten ruhig, aber bestimmt angesprochen werden: Die im Betreuungskontext geltenden Regeln, die nicht zur Disposition stehen, sollten verdeutlicht werden; ebenso wie der Entwicklungsvorteil für alle Kinder in einer diskriminierungsarmen Umgebung (2). Diskriminierung und Ausgrenzung ist dabei vehement zu widersprechen. Mögliche Reaktionen darauf sollten mit den Betroffenen zusammen entwickelt werden.

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Mögliche Reaktionen für dem Umgang mit „-ismen“:

Fragen, die den Austausch einleiten können: z. B.
„Welche Sorgen stecken hinter Ihrer Aussage?“
Wunschfragen: z. B. „Was müsste passieren, damit sich Ihre Sorge in Luft auflöst?“
Ich-Botschaften, die die eigene Haltung verdeutlichen, ohne das Gegenüber zu verletzen: z. B. „Es macht mir Sorge, dass…“; „Mir ist es wichtig, dass…“ oder „Ich wünsche mir, dass …“
Deutliches Positionieren, dabei sachlich bleiben: z. B.
„Das darf Person X nicht sagen, das widerspricht unseren Regeln und auch den Kinder- bzw. Menschenrechten.“
Inschutznahme der Betroffenen bevor diejenigen angesprochen werden, die Betroffenheit auslösen, ist wichtig (1).

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Kinder, Eltern und Fachkräfte können gleichermaßen betroffen sein oder Betroffenheit auslösen, gewollt oder ungewollt. Wertschätzend auf Sorgen und Nöte aller Beteiligten einzugehen und dabei gleichzeitig, aus der eigenen Professionalität heraus, klar und transparent Vorgehensweisen und Regeln im Betreuungskontext zu formulieren, ist essentiell. Es unterstützt dabei, den Kontakt aufrechtzuerhalten und im Gespräch zu bleiben, um die Teilhabe aller zu gewährleisten.
Wie kann präventiv gegen Diskriminierungen vorgegangen werden?
Grundsätze und Regeln sollten transparent und zur allseitigen Information (barrierefrei) zur Verfügung gestellt bzw. erläutert werden. Kinder, Familien und Fachkräfte sollten sich bewusst sein, auf welche Regeln sie sich im Miteinander einlassen.

Spielerisch können Kinder z. B. über die Methode der „Persona Dolls“ Strategien erarbeiten, wie man mit Kränkungen im Alltag umgehen kann (3). Auch die Anregung zur Auseinandersetzung mit Hautfarben über Hautmalstifte in unterschiedlichen Tönen kann als präventive Arbeit gegen mögliche diskriminierende Äußerungen zwischen Kindern genutzt werden (4). Viele weitere geeignete Gesprächsanlässe und Methoden sind denkbar.

Literatur

Dieser Text ist im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des vom Bundesfamilienministerium geförderten Programms „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ durch das nifbe entstanden. Er ist ein Teil des digitalen Sammelordners „Kita-Einstieg Wissen kompakt“ mit knappen prägnanten Texten zu diesem Themenbereich und einer Einführung zum Hintergrund.

Zum Programm KiTa-Einstieg

Transferwissenschaftlerin | anna.dintsioudi@nifbe.de

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ko- und Transferzentrum

 

Themen- und Arbeitsschwerpunkte:

 

  • Wissenschaftliche Begleitung des Bildungsschwerpunktes „Vielfalt leben und erleben!“
  • Wissenschaftlich-konzeptionelle und fachlich-inhaltliche Prozessbegleitung des Bundespro-grammes „Kita-Einstieg - Brücken bauen in frühe Bildung
  • Kulturvergleichende entwicklungspsychologische Themen der frühen Kindheit
  • Migration und Akkulturation
  • Interkulturelle Kompetenz und kultursensitive Arbeit in der Kita
  • Diskriminierung im Kita-Alltag anhand von Vielfaltsdimensionen
  • Kultursensitive Sprachbildung

Ausgewählte Publikationen

Bücher und Ganzschriften

 

  • Albers, T., Bereznai, A., Dintsioudi, A., Hormann, O., Jungmann, T., Koch, K., Kwasnik, N., Lamm, B., Licandro, U., Lüdtke, U., Madeira Firmino, N., Schröder, L., Stitzinger, U. & Zimmer, R. (2017). Sprachliche Bildung und Förderung aus interdisziplinärer Perspektive. In Bereznai, A. (Hrsg.), "Mehr Sprache im frühpädagogischen Alltag – Potentiale erkennen Ressourcen nutzen (nifbe- Schriftenreihe „Im Dialog”) (S. 13-26). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A. (2017). Migrant/in gleich Migrant/in? – Oder: wie unterschiedlich kann das Ankommen sein? In Lamm, B. & nifbe (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kompetenz. Kultursensitive Arbeit in der Kita (S.36-47). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A. Borg-Tiburcy, K., Kruse-Heine, M., Martzy, F., Sauerhering, M., & Völker, S. (2016). Wissen, Haltung & Handlungskompetenz für die Arbeit mit Kindern und Familien mit Fluchterfahrung in der Kita. Nifbe-Themenheft Nr. 30.
  • Dintsioudi, A. & Schröder, L. (2017). Alltagsbasierte kultursensitive Sprachbildung. Sprachstile und deren Wirkung auf die kindliche (Sprach-)Entwicklung? In B. Lamm / nifbe (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kompetenz. Kultursensitive Arbeit in der Kita (S.180-187). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A. & Lamm, B. (2017). Was heißt interkulturelle Kompetenz? – Grundlagen und Begriffsbestimmungen für die pädagogische Praxis. In B. Lamm / nifbe (Hrsg.), Handbuch interkulturelle Kompetenz. Kultursensitive Arbeit in der Kita (S.11-22). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A. & Schröder, L. (2018). „Ich und Du“ oder „Wir und Sie“? Die Berücksichtigung kulturspezifischer Sprachstile im Kita-Alltag. Handreichung „Kultursensible Kita-Pädagogik: Praxiseinblicke sowie entwicklungspsychologische, sprachwissenschaftliche und rechtliche Aspekte“ des Verbandes Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder (VETK) im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. und der Evangelischen Hochschule Berlin im Rahmen des Projektes „Berliner Modellkitas für die Integration und Inklusion von Kindern aus Familien mit Fluchterfahrung“.
  • Dintsioudi, A. & Schröder, L. (2017). „Sprachkultur in der Kita“- Ein kultursensitiver und alltagsbasierter Sprachbildungsansatz. In Bereznai, A. (Hrsg.), "Mehr Sprache im frühpädagogischen Alltag – Potentiale erkennen Ressourcen nutzen (nifbe- Schriftenreihe „Im Dialog”) (S. 39-52). Freiburg: Herder.
  • Dintsioudi, A., Keller, H.,List, M.K. & Schröder, L.(2013). Sprachliche Bildung im Kita-Alltag- Gespräche mit Kindern anregen und lebendig gestalten. DVD. Berlin: Cornelsen. ISBN-10: 3589248394. 

Aufsätze

  • Borke, J. & Dintsioudi, A. (2013). Autonomie und Verbundenheit. Ansätze zum Umgang mit kultureller Vielfalt in der Frühpädagogik. Thema Jugend. Zeitschrift für Jugendschutz und Erziehung, vol.3,13-15.
  • Borke, J., Dintsioudi, A., Hawelleck, C. &Rolfes, W. (2011). Auf dem Weg zu einer kultursensitiven Familien-, Erziehungs- und Entwicklungsberatung. Anregungen aus dem Praxis- Wissenschaftsdialog des Projektes „Blickpunkt Baby“. Horizonte, 11, Landesarbeits-gemeinschaft für Erziehungsberatung Niedersachsen e.V., gefunden am 23.05.2011, Verfügbar unter http://www.erziehungsberatung-niedersachsen.de/page33/page33.html[18.08.2019].
  • Dintsioudi, A. (2010). Sozialisation im Kulturvergleich: Mögliche Konsequenzen für die Bildungsarbeit. Verband deutscher Musikschulen (Hrsg.): Kulturelle Vielfalt in der Elementarstufe/Grundstufe. Bonn: VdM-Verlag
  • Dintsioudi, A. (2016). Eingewöhnung in Kita und Krippe kultursensitiv gestalten. KiTa aktuell. Fachzeitschrift für Leitungen, Fachkräfte und Träger der Kindertagesbetreuung. Ausgabe 10/2016
  • Dintsioudi, A. (2018). Stereotyp, Vorurteil oder doch schon Diskriminierung? Online-Text in der Reihe „Wissen Kompakt“ des Bundesprogrammes „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“. Verfügbar unterhttps://kita-einstieg.fruehe-chancen.de/service/wissen-kompakt [18.08.2019].
  • Dintsioudi, A. (2018). Wie entstehen ungleiche Bildungschancen und was kann man dagegen tun? Online-Text in der Reihe „Wissen Kompakt“ des Bundesprogrammes „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“. Verfügbar unter https://kita-einstieg.fruehe-chancen.de/service/wissen-kompakt [18.08.2019].
  • Dintsioudi, A.,Keller, H., List, M.K., Schröder, L. & Vollbehr, M. (2018). Teachers’ Conversational Style and Children’s language development in German Childcare Centers: A Culture- Sensitive Intervention.  Journal of Cross Cultural Psychology. 50 (2), 164-184.

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49080 Osnabrück
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"Im Mittelpunkt der Arbeit des nifbe steht das Kind in seinem sozialen Kontext und mit seinem Anspruch auf bestmögliche Förderung und Begleitung von Anfang an."
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