Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland 16 Bundesländer. Und jedes Bundesland hat seine eigenen Lösungen für die Ausbildung, weil Bildung laut Grundgesetz Sache der Länder ist. Von daher weiß eigentlich niemand alles über die Erzieherinnenausbildung in Deutschland.
Auf die unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung können wir hier nicht eingehen. Sie sind hier abrufbar.
Die wichtigsten Modelle für die ErzieherInnenausbildung sind:
Für alle Berufe gilt, dass im Kontakt mit der beruflichen Praxis die erforderlichen Kompetenzen erprobt und ggf. sogar erst erlernt werden. In der akademischen Welt wurde die Praxis sozialer und pädagogischer Berufe über viele Jahrzehnte als zweitrangig für die Ausbildung erachtet. Erst in den letzten Jahren ist die Wertschätzung der Leistungen und Erfahrungen in der Praxis gewachsen und der Block akademischen Dünkels abgeschmolzen. Auf dem Weg, theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden, ist das Bundesprogramm Lernort Praxis ein Meilenstein.
Welchen Platz praktische Phasen in der ErzieherInnenausbildung einnehmen, ist von daher für Fachschulen, aber auch für Studiengänge an Hochschulen, eine zentrale Frage. Sie stellt sich auch beim Berufspraktikum.
Die Integration der berufspraktischen ErzieherInnenausbildung in die Fachschulzeit macht eine fortlaufende, gründliche Begleitung durch die Schule wahrscheinlicher. Daher haben viele Länder sich für eine solche Ausbildung entschieden, z.B. Berlin. Man kann allerdings nicht von der Hand weisen, dass eine solche Entscheidung auf Kostengründen beruhte: Das integrierte Praktikum kostet die Senatsverwaltung bzw. das Ministerium keinen Cent.
Das Berufspraktikum oder Anerkennungsjahr nach einer fachschulischen Ausbildung birgt die Gefahr, dass die Begleitung durch die Schule vernachlässigt wird. Diese Gefahr kann mit entsprechenden Regelungen vermieden werden. Dieses Modell hat den großen Vorteil für die SchülerInnen, dass es bezahlt wird. Die finanzielle Honorierung ist nicht nur wichtig, um den Lebensunterhalt zu sichern, sie bringt auch essentielle Erfahrungen für die Umsetzung erlernter Inhalte in die Praxis und ist überdies ein Prüfstein für die berufliche Motivation. Auch die Träger werden bei einer Finanzierung des Praktikums stärker in die Pflicht genommen. Sie müssen vom Sinn des Einsatzes der PraktikantInnen überzeugt sein, wenn diese partiell auf den Stellenschlüssel angerechnet werden. Die Verbindlichkeit steigt also für beide Seiten. Aus den genannten Gründen wäre ein integriertes Praktikum mit PraktikantInnengehalt eine wünschenswerte Alternative, wenn die bisherigen Strukturen der Ausbildung (Schule + Praktikum) beibehalten werden. Allerdings wären dann nur die Praxisphasen vergütet.
Am sinnvollsten erscheint daher eine Kombination von Fachschul- und Praxisausbildung wie in den praxisbegleitenden bzw. berufsbegleitenden Ausbildungen in Baden-Württemberg oder Berlin. In diesem Modell wird während der ganzen Ausbildungszeit ein PraktikantInnengehalt und damit eine Ausbildungsvergütung gezahlt. Ein Vorteil dieses Modells ist auch die Konfrontation der eigenen Motivation mit der praktischen Wirklichkeit am Anfang der Ausbildung. Wenn SchülerInnen im ersten halben Jahr der Ausbildung feststellen, dass sie nicht für den Beruf geeignet sind, so ist das eine weitaus bessere Situation, als wenn eine solche Erkenntnis erst in einem späteren Berufspraktikum gewonnen wird.
Um den Fachkräftemangel zu beheben, werden QuereinsteigerInnen ermutigt, den Beruf des Erziehers/der Erzieherin zu ergreifen. Dabei werden sie von der Arbeitsagentur unterstützt. Die Bundesagentur finanziert Weiterbildungen bis zu zwei Jahren über die Ausgabe von Bildungsgutscheinen. Sie darf Bildungsgutscheine nur für Maßnahmen bei zugelassenen Bildungsträgern einlösen (§81 Abs. 2 Punkt 3 SGB III n.F.). Dazu gehörten kurioserweise die Fachschulen nicht. Sie hat den Landesministerien angeboten, ihre Fachschulen durch fachkundige Stellen als Bildungsträger zertifizieren zu lassen. Mehrere Länder wehren sich dagegen, da sie schon ausreichend Maßnahmen für die Qualitätssicherung ihrer Fachschulen getroffen haben. Die Bundesagentur besteht jedoch auf der Prüfung durch die fachkundigen Stellen, bevor sie TeilnehmerInnen die Ausbildung finanziert.
Bei diesen Regeln wurde die staatliche Kontrolle der Schulen und Fachschulen völlig übersehen. Vielmehr wird von den Ländern eine doppelte Kontrolle verlangt, die auch mit Kosten und personellem Aufwand verbunden ist.
Einige Länder haben sich intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Die folgenden Aussagen haben wir im Rahmen einer Umfrage erhalten.
Die Bundesagentur verlangt von den Fachschulen eine Zertifizierung gemäß AZAV, damit sie QuereinsteigerInnen in den ersten beiden Jahren der Fachschulausbildung fördern kann. QuereinsteigerInnen mit mindestens mittlerem Bildungsabschluss und mindestens zweijähriger abgeschlossener Ausbildung erfüllen in Baden-Württemberg die Zugangsvoraussetzungen für die Fachschule für Sozialpädagogik, wenn sie zusätzlich noch ein mindestens sechswöchiges Praktikum in einer sozialpädagogischen Einrichtung nachweisen können, auch wenn sie keine pädagogik-affine Ausbildung nachweisen können. Da alle öffentlichen Schulen der Aufsicht des Landes unterliegen, hat sich Baden-Württemberg, wie auch andere Bundesländer, der Zertifizierung bislang verweigert, denn diese ist auch mit einem hohen Verwaltungs- und Kostenaufwand verbunden. Im kommenden Schuljahr soll nun ein vereinfachtes Zertifizierungsverfahren mit einem deutlich geringeren Kosten- und Zeitaufwand für den Landeshaushalt und die betroffenen Schulen durchgeführt werden. Die Landesregierung stellt für die Zertifizierungen zwischen 2013 und 2015 fast 330.000 Euro zur Verfügung. Im dritten Jahr der Ausbildung, während des Berufspraktikums, ist die Finanzierung der AnwärterInnen für den ErzieherInnenberuf durch die Träger gewährleistet.
Das größte Hindernis für die Umschulung durch die Bundesagentur ist in Bayern die geforderte AZAV-Zertifizierung der Umschulungsanbieter. Es gibt Bestrebungen der Bayerischen Staatsregierung, auf die Abschaffung der AZAV-Zertifizierungspflicht für öffentliche und staatlich anerkannte Schulen hinzuwirken.
Berlin hat Verhandlungen mit der Bundesagentur geführt, um die Finanzierung des dritten Jahres der Erzieherausbildung zu erreichen. Diese Verhandlungen waren nicht erfolgreich und blieben daher ergebnislos.
Berlin hat jedoch verschiedene Möglichkeiten des Quereinstiegs ohne die Unterstützung der Arbeitsagentur geregelt.
Das Land bemüht sich um eine Einigung mit der Arbeitsagentur, um BewerberInnen für den Beruf der Erzieherin/des Erziehers zu gewinnen. Im Rahmen eines Projekts können QuereinsteigerInnen mit dem Mittleren Bildungsabschluss zwei Jahre lang von der Arbeitsagentur und im dritten Jahr der Ausbildung vom Träger der Einrichtung, in der das Berufspraktikum stattfindet, finanziert werden. Derzeit liegt noch keine Auswertung des Projekts vor.
Es gibt Verhandlungen mit der Arbeitsagentur, auch für Umschüler in Niedersachsen die Förderfähigkeit zu erreichen.
Die Praxisphasen an den Fachschulen sind in die Ausbildung von ErzieherInnen integriert. Von daher ergibt sich das Problem der Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres für von der Arbeitsagentur geförderte QuereinsteigerInnen in den Erzieher/-innenberuf.
Für die ESF-Förderperiode 2014 bis 2020 stimmt sich das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr derzeit mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus und der Bundesagentur für Arbeit ab, um die Voraussetzungen zur Finanzierung des letzten Drittels bei der Qualifizierung von Erziehern nach § 180 Abs. 4 SGB III zu schaffen. Geplant ist eine Integration der Umschulung von Arbeitslosen zum/r Erzieher/in in das ESF-Programm „Qualifizierung von Arbeitslosen zu einem anerkannten Berufsabschluss (QAB)“ des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Die Realisierung sowie die zeitliche Einordnung von Teilnehmeraufnahmen stehen jedoch unter dem Vorbehalt der noch laufenden Abstimmungen auf EU- und Landesebene zum EU-Förderzeitraum 2014 bis 2020. Gesicherte Aussagen sind derzeit noch nicht möglich.
Die praxisintegrierte oder berufs- bzw. tätigkeitsbegleitende Ausbildung gewährleistet am ehesten die Verbindung zwischen theoretischen Kenntnissen und praktischen Erfahrungen. PraxisanleiterInnen wie im jetzigen Bundesprogramm Lernort Praxis können dieses Modell unterstützen. Dieses Modell hat zusätzlich den Vorteil, dass die SchülerInnen während der gesamten Ausbildung ein Gehalt bekommen, das als Ausbildungsvergütung angesehen werden kann.
QuereinsteigerInnen, die von der Bundesagentur gefördert werden, sollten nicht auf die Ausbildung bei von der Bundesagentur zertifizierten Bildungsträgern angewiesen sein, sondern auch beim Besuch staatlicher Schulen gefördert werden. Dass die Bundeagentur hier die Länder durch die geforderte Zertifizierung unter Druck setzt, ist eine Absurdität unserer Bürokratien, bei der sich die Bundesagentur offenbar gegen die Länder durchsetzen kann.
Hilde von Balluseck vertrat bis 2007 an der Alice Salomon Hochschule in Berlin den Lernbereich Sozialisationstheorien und -bedingungen. Sie konzipierte dort den ersten Studiengang für ErzieherInnen in Deutschland und forschte u.a. zu den Themen "Armut von Familien", "Private und öffentliche Erziehung", "Minderjährige Flüchtlinge" und "Professionalisierung". Heute ist sie Herausgeberin des mit dem nifbe kooperierenden Portals www.fruehe-bildung.online.