Auch im Rahmen von partizipativer Führung ist der Umgang mit Macht häufig ein unangenehmes Thema. Kita-Leitungen stehen vor der Herausforderung sicherzustellen, dass ihr Machtgebrauch im Einklang mit partizipativen Führungsprinzipien steht und von den Kolleg*innen entsprechend wahrgenommen wird. Dieser Beitrag beleuchtet, warum es dabei weniger darum geht, Macht abzugeben, als vielmehr darum, Macht als gemeinsame Ressource zu nutzen.
Inklusion und institutioneller Kinderschutz benötigen eine von humanistischen Werten geleitete Demokratisierung durch partizipative Führung. In einer Umgebung, in der sich Kolleg*innen beteiligt und gesehen fühlen, lässt es sich über Kinderschutzthemen und die Einhaltung von Kinderrechten besser sprechen. Potenzielle Probleme können so früher erkannt und behoben werden. Dennoch werden Bedenken geäußert, wenn ein Kita-Team zukünftig mehr beteiligt werden soll. Die Veränderung in der Art und Weise, wie Entscheidungen nun getroffen werden, löst häufig Unsicherheit und Widerstand aus. Die Befürchtung, dass Abstimmungsprozesse ausufern könnten, Entscheidungen nicht mehr effizient getroffen werden und der Kita-Alltag dadurch chaotisiert wird, wird dabei sowohl von Kita-Leitungen als auch von pädagogischen Fachkräften geteilt.
Partizipative Führung zielt darauf ab, die Einbeziehung und Mitbestimmung eines Teams zu fördern. Dabei geht es nicht um Machtabgabe, sondern darum, Macht so einzusetzen, dass eine von humanistischen Werten geprägte, partizipative Arbeitsumgebung entsteht. Kita-Leitungen, die selbstbewusst und verantwortungsbewusst mit ihrer Entscheidungsmacht umgehen, zeigen, dass sie ihre Verantwortung ernst nehmen und kompetent sind. Dies kann das Vertrauen ihrer Kolleg*innen stärken und sorgt zugleich für eine sichere Atmosphäre, in der sich Menschen gerne beteiligen.
Ferner versteht Partizipative Führung Macht nicht als Privileg einzelner, sondern als gemeinsame Ressource. Das impliziert, dass in Bezug auf partizipative Führung nicht ausschließlich die Führungsstärke der Kita-Leitung von Bedeutung ist. »Gute Führung« ist keine Eigenschaft einer einzelnen Führungskraft. Führung findet immer in einem sozialen System statt (vgl. Baumann-Habersack 2021:24).
Kita-Leitungen werden oft mit gegensätzlichen Erwartungen ihrer Kolleg*innen konfrontiert. Einerseits wünschen sie sich, in Entscheidungsprozesse miteinbezogen zu werden. Andererseits erhoffen sie sich klare »Ansagen« bzw. direkte Anweisungen. Manche Kolleg*innen reagieren weder auf Freiräume noch auf Anweisungen, was den Eindruck erwecken kann, dass Beteiligung nicht funktioniert oder nicht erwünscht ist. Partizipative Führung erfordert gegenseitigen Respekt und Anerkennung zwischen Kita-Leitung und pädagogischen Fachkräften. Das Beziehungs- und Führungsthema Autorität spielt hierbei eine zentrale Rolle. Viele von uns wurden mit einem Bild von Autorität sozialisiert, welches u.a. Assoziationen wie Unterordnung, Gehorsam, Misstrauen und Kontrolle in uns auslöst. Unsere Reaktionsmuster sind dementsprechend ausgebildet. Obwohl viele von uns inzwischen der Autorität eine andere Bedeutung beimessen, beeinflusst unsere Wahrnehmung von Autorität immer noch unsere Emotionen und Verhaltensweisen. Ein »Von der lass ich mir nichts sagen« oder ein »Sprich doch mal ein Machtwort« lässt sich nicht so leicht aus den Tiefen unseres Inneren verbannen.
Gleichzeitig erfordert Partizipation ein neues Miteinander und eine Reflexion mit allen Beteiligten. In einer partizipativen Führungskultur führt die Kita-Leitung nicht allein. Jede pädagogische Fachkraft ist gefordert, ihre Rolle als Co-Führende anzunehmen. In der Regel hatten aber nicht alle Teammitglieder in der Vergangenheit dazu die Gelegenheit, die erforderlichen Kompetenzen beziehungsweise Ressourcen ausreichend zu entwickeln.
In einer partizipativen Führungskultur beruht Autorität auf Gleichwertigkeit, Mitverantwortung und Mitgestaltung. Daher ist es entscheidend, dass das Team bewusst eine neue Haltung zur Autorität und Führung einnimmt und selbst erfährt. Die Kita-Leitung, die die Führungsverantwortung trägt, und die pädagogischen Fachkräfte, die als Co-Führende agieren, sollten gemeinsam an der Festlegung von Führungsprinzipien arbeiten (vgl. Baumann-Habersack 2021:101). Hierbei bieten sich folgende Fragestellungen an:
Einige Teams haben Schwierigkeiten, kooperative Beziehungen zu etablieren. Dies könnte verschiedene Gründe haben, darunter häufiger Personalausfall und Fluktuation, was zu einem Mangel an Kontinuität führen kann. Trotz oder gerade wegen dieser Herausforderungen ist es im Kontext von Inklusion und Kinderschutz heikel, den eigenen Führungsstil ausschließlich an den Bedürfnissen einzelner Kolleg*innen oder des Teams auszurichten. Beispielsweise könnte eine Kita-Leitung zögern, ihren Führungsstil partizipativ auszurichten, wenn ihre Kolleginnen keine Beteiligung wünschen oder sie glaubt, dass ihre Kolleg*innen nicht in der Lage sind, sich zu beteiligen. Es ist wichtig, dass Kita-Teams Reifungsprozesse auch in unsicheren Zeiten zugemutet werden und durchlaufen, um eine gemeinsame Zukunft zu gestalten sowie Verbundenheit und Sinn im gemeinsamen Wirken zu finden. Wenn eine Kita-Leitung mit ihrem Führungsstil die gewünschten Verhaltensweisen vorlebt, kann sie das Team in seiner Entwicklung unterstützen. Eine solche Leitung zeichnet sich durch Stärke aus, weil sie den Mut aufbringt, die langfristige Vision einer partizipativen Führungskultur zu verfolgen und möglicherweise zunächst mehr zu führen, um den Weg zu weisen.
Um die partizipative Führungskultur im Team zu fördern, sind Kita-Leitungen herausgefordert, sich selbst gut zu führen, um ihre Macht bewusst und verantwortungsbewusst auszuüben. Die Einbindung von Beratung, strukturell verankerten Feedbackgesprächen sowie Evaluationsrunden mit Kolleg*innen können helfen, den eigenen Machtgebrauch zu überprüfen und zu steuern. Dabei ist es wichtig, persönliche Vorurteile, Dominanzverhalten oder übermäßige Kontrollbedürfnisse oder Harmoniebedürfnisse zu erkennen und zu überwinden.
Machtmissbrauch dürfte beispielsweise spürbar werden, wenn eine Kita-Leitung vorrangig persönliche Ziele verfolgt, Kolleg*innen dominiert oder die Entwicklung der Kita in eine Richtung gelenkt wird, die nicht im besten Interesse aller ist. Die Angemessenheit des Machtgebrauchs seitens der Kita-Leitung wird dabei weniger durch die Verteilung der Entscheidungsbefugnisse bestimmt, sondern vor allem durch die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen und die Macht ausgeübt wird. Folgende Fragen regen zur Selbstreflexion an und können helfen, die eigene Führungspraxis kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verbessern:
Eine partizipative Führungskultur hängt von dem Engagement der Kita-Leitung sowie von den pädagogischen Fachkräften ab. Ein positiver Umgang mit Macht kann die Bereitschaft dazu fördern und stärken. Daher sollten Kita-Leitungen keine Scheu davor haben, mit ihren Kolleg*innen aktiv in die Auseinandersetzung über Macht zu gehen, um sie als gemeinsame Ressource zu nutzen.
Baumann-Habersack, Frank H. (2021): Mit transformativer Autorität in Führung. Die Führungshaltung für das 21. Jahrhundert. Wiesbaden: Springer Gabler. 3. Auflage
Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus KiTa Aktuell ND 2024-7/8
Jessica Schuch, Diplom Sozialpädagogin, Fachberaterin, Freiberufliche Fortbildnerin, Pädagogische Psychodramatikerin, Multiplikatorin für Partizipation in Kindertagesstätten und nifbe-Prozessbegleiterin