Der Text fokussiert auf Chancen und diskutiert Herausforderungen für den Einsatz vorhandener sprachlicher Ressourcen im pädagogischen Team in der Kindertagesbetreuung. Wer profitiert, wo könnte es Stolpersteine geben? Immer wieder kommt bei Fachkräften in der Kindertagesbetreuung die Frage auf, ob Kindern und Eltern mit (noch) wenigen bis gar keinen Deutschkenntnissen geholfen ist, wenn vorhandene Sprachkompetenzen im pädagogischen Team – die sich mit den Herkunftssprachen der Familien decken – genutzt werden. Es wird hierbei gefragt, ob die Anwendung der Herkunftssprache der Kinder nicht eher kontraproduktiv für das Erlernen der deutschen Sprache ist. Kindertagesbetreuungsangebote sind ja für viele Familien der erste systematisch strukturierte Zugang zur deutschen Sprache, der relativ zeitintensiv qualitativ hochwertigen Sprachinput bieten kann.
Die Kindertagesbetreuung strikt einsprachig zu gestalten, macht aus dem pädagogischen Alltag eine künstliche Situation. Die Umgebung außerhalb der Kindertagesbetreuung ist ja auch nicht einsprachig. Und für eine mehrsprachige Fachkraft kann es unnatürlich erscheinen, ihre Sprachressourcen im pädagogischen Alltag zu verleugnen bzw. zu unterdrücken.
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„Entscheidend ist, dass das Kind eine klare Orientierung hat, in welchem Kontext und bei welchen Personen wel-che Sprache angemessen ist und mit wem und wo es welche Sprache(n) sprechen kann.“ (4)
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Die Meinungen zu diesem Thema gehen also weit auseinander. Aus dem wissenschaftlichen und Praxisdiskurs ergibt sich aber, dass die Vorteile der potentiellen Nutzbarkeit von sprachlichen Ressourcen von Fachkräften im pädagogischen Alltag überwiegen. Eine Vielfalt an Strategien und Modellen wird diesbezüglich täglich gelebt: das Immersions-/ bzw. Submersionsmodell, das Modell „eine Person, eine Sprache“ oder auch die so genannten Situations-/Angebotsmodelle.
Im Immersions-/Submersionsmodell wird darauf fokussiert, dass die Kommunikations-/Bildungssprache in der Kindertagesbetreuung „in einem Sprachbad“ erlernt wird. Sprachen, die zuhause sonst noch gesprochen werden, werden nicht systematisiert und aktiv als Ressource im Betreuungskontext genutzt, aber es gibt oft eine wertschätzende Willkommenskultur.
Zweisprachige Kindertagesbetreuungskontexte (z. B. Deutsch-Türkisch) verfolgen oft das Modell, dass bestimmte pädagogische Fachkräfte explizit und ausschliesslich die eine Sprache (z. B. Deutsch) sprechen und andere Fachkräfte die andere Sprache (z. B. Türkisch) in diesem Kontext vertreten.
Situations-/Angebotsmodelle bieten Raum für andere Sprachen ausschliesslich in speziellen vorstrukturierten und abgrenzbaren Situationen/ Angeboten. Zudem gibt es auch Betreuungskontexte, die die Erstsprachen von Kindern explizit und konsequent im Alltag einbeziehen; das ist aber bis dato nur punktuell der Fall. (5) In der Praxis sind die Modelle oft nicht so klar abgrenzbar, es entstehen Misch-Modelle. (6)
Letztendlich ist es wichtig, dass das Team sich auf eine Vorgehensweise einigt, mit der alle gut umgehen können, diese konsequent im Alltag lebt und dabei authentisch und familiennah bleibt. Ziel ist es, eine chancengerechte Bildungskarriere der Kinder durch qualitativ und quantitativ hochwertige Sprachanregung zu unterstützen. Hierfür ist ein reibungsarmer Informationsfluss zwischen Familien und pädagogischen Fachkräften wichtig. Die Erstsprachen in bestimmten Interaktionen als angemessene Hilfestellung bei der Kommunikation zu nutzen, wird dabei in allen Modellen als hilfreich diskutiert. (1)
Anmerkungen:
(1) Schmidt, M. (2018). Kinder in der Kita mehrsprachig fördern. Schritt für Schritt in die Praxis. München: Reinhardt.
(2) Küpelikilinc, N. & Özbölük, M.T. (2016). Mehrsprachigkeit. Aktionen und Projekte in Kindertagesstätte und Schule. Frankfurt/Main: Magistrat der Stadt Frankfurt/Main.
(3) Schölmerich, A., AlSari, S. & Willard, J. (2010). Zweisprachigkeit: vom Risikofaktor zum Leitbild. Bochum: Ruhr-Universität Bochum. https://www.nifbe.de/images/nifbeold/Aktuelles/ 2008%20bis%202010/Nifbe-Workshop2010.pdf
(4) Chilla, S. & Fox-Boyer, A. (2014). Zweisprachigkeit / Bilingualität. Ein Ratgeber für Eltern (S.44). Idstein: Schulz-Kirchner.
(5) Kratzmann, J., Sachse, S., Jahreiß, S. & Frank, M. (2016). Multilingualism in Preschool Education. Conference ECER 2016, Leading Education: The Distinct Contributions of Educational Research and Researcher. Symposium Paper.
(6) Nauwerck, P. (2005). Zweisprachigkeit im Kindergarten. Freiburg: FillibachDer Text fokussiert auf Chancen und diskutiert Herausforderungen für den Einsatz vorhandener sprachlicher Ressourcen im pädagogischen Team in der Kin-dertagesbetreuung. Wer profitiert, wo könnte es Stolpersteine geben?1] Schmidt, M. (2018). Kinder in der Kita mehrsprachig fördern. Schritt für Schritt in die Praxis. München: Reinhardt.
Dieser Text ist im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des vom Bundesfamilienministerium geförderten Programms „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ durch das nifbe entstanden. Er ist ein Teil des digitalen Sammelordners „Kita-Einstieg Wissen kompakt“ mit knappen prägnanten Texten zu diesem Themenbereich und einer Einführung zum Hintergrund.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ko- und Transferzentrum
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