Neue Ergebnisse aus der Evaluation des Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetzes (KiQuTG) liefert jetzt der vierte ERiK-Forschungsbericht. Das DJI-Projekt „Entwicklung von Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung“ (ERiK) beobachtet in einem multiperspektivischen Ansatz entlang der zehn Handlungsfelder des Gesetzes und der Maßnahmen zur Entlastung der Eltern von den Gebühren seit 2019 anhand eines speziell entwickelten Sets von Indikatoren und Kennzahlen die Entwicklung der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung national wie auch auf Länderebene.
In der Zusammenfassung gibt es folgende Ergebnisse:
HF-01 Bedarfsgerechtes Angebot (Tim Zießmann und Lisa Leßner)
Ein zentrales Anliegen des KiTa-Qualitäts- und -Teilhabegesetzes (KiQuTG, § 2) ist, allen Kindern im Sinne der Bildungs- und Chancengerechtigkeit Zugang zu früher Bildung zu ermöglichen. Hierzu soll ein bedarfsgerechtes Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebot zur Verfügung gestellt werden, das sich an den Elternwünschen sowohl für unter 3-jährige Kinder, als auch für Kinder zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt orientiert.
Anhand der Bildungsbeteiligung der Kinder, der Passgenauigkeit und Flexibilität des Betreuungsangebots, der Bedarfe der Eltern und Kinder sowie der Erwerbstätigkeit der Eltern wird untersucht, inwieweit das System der FBBE in Deutschland diesem Anspruch gerecht wird. Zentrale Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
› Es zeigte sich in der Altersgruppe der unter 3-Jährigen ein Bevölkerungszuwachs und eine Abschwächung des Bevölkerungswachstums bei den älteren Kindern. Die Zuwächse in der Kindertagesbetreuung hingegen erfolgten im Vergleich zum Vorjahr mit 28.790 Kindern unter 3 Jahren und 38.553 Kindern zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt wieder auf dem Niveau der Jahre vor 2021. Während sich für unter 3-Jährige in allen Ländern eine Steigerung der Inanspruchnahmequote feststellen ließ, zeigte sich bei Kindern im Alter zwischen 3 und 5 Jahren ein fortgesetzter leichter Rückgang der Inanspruchnahme.
› Seit dem Beginn der Berichtslegung im Jahr 2019 besuchten noch nie so viele Kinder mit Eingliederungshilfe eine Kindertagesbetreuung wie im Jahr 2022. Der zwischenzeitlich beobachtete Rückgang war also mutmaßlich auf Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückzuführen und ist nun aufgrund späterer Eintrittszeitpunkte oder nachträglich durchgeführter Diagnostiken zur Feststellung einer Behinderung in den Daten nicht mehr ersichtlich.
› Eine bereits im Vorjahr festgestellte leichte Tendenz hin zu höheren Betreuungsumfängen für Kinder in beiden Altersgruppen konnte auch für das Jahr 2022 bestätigt werden. Seit 2019 zeigte sich im Widerspruch dazu eine leichte Verlagerung hin zu kürzeren Öffnungsdauern von Kindertageseinrichtungen, die sich zwischen 2021 und 2022 jedoch abgeschwächt hat.
› Anknüpfend an die Vertiefungsanalyse bei Ziesmann/Jähnert/Hoang (2023) war das Alter des Kindes bei unter 3-Jährigen weiterhin der häufigste Grund für die Nichtnutzung einer Kindertagesbetreuung. In beiden Altersgruppen spielten zudem die gute Erfahrung mit der Betreuung zu Hause und der Wunsch, das Kind selbst zu erziehen, eine große Rolle. Bestand ein Betreuungsbedarf, standen jedoch fehlende oder nicht passende Angebote als Gründe für die Nichtinanspruchnahme im Vordergrund.
› Die anhand von KiBS für die Jahre 2019 bis 2022 dargestellten Kennzahlen zu (Un-)Gleichheiten der Teilhabe führten zu denselben Be fundmustern wie die in der Vergangenheit für 2018 und 2019 durchgeführten Auswertungen des Mikrozensus (Ziesmann/Hoang/Fuchs 2022; Ziesmann/Jähnert/Hoang 2023):
Kinder mit Migrationshintergrund besuchten seltener eine Kindertagesbetreuung als Kinder ohne Migrationshintergrund. Mit zunehmendem Bildungsgrad der Eltern und Haushaltseinkommen stieg auch die Inanspruchnahme. Die Inanspruchnahmequote von Kindern mit Transferleistungsbezug blieb über die Zeit konstant.
HF-02 Fachkraft-Kind-Schlüssel (Johanna Romefort, Catherine Tiedemann, Christiane Meiner-Teubner)
Die Qualität pädagogischer Prozesse in der Kindertageseinrichtung ist ein zentraler Baustein für die kindliche Entwicklung. Hierzu ist unter anderem eine angemessene Personal-Kind-Relation nötig, um individuell auf Kinder eingehen, ihre Bedürfnisse wahrnehmen und sie in ihrer Entwicklung unterstützen zu können. Dieser Aspekt wird abgebildet anhand des Personal-Kind-Schlüssels nach Gruppenform für Kinder unter 3 Jahren sowie von 3 Jahren bis zum Schuleintritt, des Anteils von Kindern mit nichtdeutscher Familiensprache sowie Eingliederungshilfe, der Berücksichtigung von mittelbarer pädagogischer Arbeitszeit und Ausfallzeiten sowie deren Umfang, des Umgangs damit und Gründen dafür und der subjektiven Zufriedenheit mit der aktuellen Betreuungssituation durch die Einschätzung der Personalsituation durch pädagogisches Personal und Leitungen sowie ergänzend der Zufriedenheit der Erziehungsberechtigten. Die zentralen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
› Im Rahmen des Indikators Personal-Kind-Schlüssel konnten erstmals kaum Verbesserungen für Gruppen mit Kindern unter 3 Jahren im Vergleich zum Vorjahr festgestellt werden. Im Vergleich zu 2019 zeigten sich dagegen überwiegend Verbesserungen der Personal-Kind-Schlüssel in dieser Gruppenform, die größten Verbesserungen waren dabei überwiegend in Ländern mit den höchsten Personal-Kind-Schlüsseln zu beobachten. In Gruppen mit Kindern von 3 Jahren bis zum Schuleintritt konnten in fast allen Ländern leichte Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr beobachtet werden. Dabei kam es wieder zu einer leichten Annäherung der Personal-Kind-Schlüssel zwischen den Ländern an das Niveau von 2019.
› Mit Blick auf die mittelbaren pädagogischen Arbeitszeiten und Ausfallzeiten zeigten sich nach wie vor deutliche Unterschiede zwischen den Ländern, was den Anteil vertraglich zugesicherter Zeiten für mittelbare pädagogische Tätigkeiten angeht. Demgegenüber stellten Personalausfälle in allen Ländern eine starke Beeinträchtigung der pädagogischen Arbeit dar, welche in erster Linie durch längere Krankheiten verursacht wurden. Zur Bewältigung dieser Ausfälle griffen deutlich mehr Einrichtungen auf die Kürzung von Öffnungszeiten und die vorübergehende Schließung von Einrichtungen zurück.
› Die Zufriedenheit mit der aktuellen (Betreuungs-) Situation fällt sowohl für das pädagogische Personal als auch für die Erziehungsberechtigten tendenziell niedriger aus als im jeweiligen Vergleichsjahr. Die Zufriedenheit der Erziehungsberechtigten liegt, trotz des leichten Rückgangs, nach wie vor auf einem hohen Niveau. Vor dem Hintergrund der Befunde zum Umfang von Ausfällen und den Maßnahmen zu ihrer Bewältigung ist dabei vor allem die Zufriedenheit der Erziehungsberechtigten mit der Verlässlichkeit des gebuchten Betreuungsangebots hervorzuheben. Die Einschätzung der Personal-Kind-Relation durch das pädagogische Personal fällt hingegen trotz des Verbesserungstrends der Personal-Kind-Schlüssel deutlich schlechter aus.
HF-03 Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte (Ebru Balaban-Feldens, Janette Buchmann, Theresia Pachner und Norina Wallußek)
Um dem durch den Rechtsanspruch auf einen Kindergarten- und Krippenplatz angestoßenen Ausbau des Platzangebots gerecht werden zu können, ist eine ausreichende Anzahl von Fachkräften nötig. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund notwendig, dass dadurch pädagogische Qualität sichergestellt und die Arbeitsbedingungen des pädagogischen Personals verbessert werden können. Zur Beschreibung der Situation der FBBE in Deutschland werden die Personalstruktur in Kindertageseinrichtungen, die Arbeitsbedingungen und Maßnahmen zur Personalbindung, die Ausbildung und Qualifikation des pädagogischen Personals, Fort- und Weiterbildungsteilnahme und -inhalte und Bedarfe sowie die Arbeitsbedingungen des pädagogischen Personals in Deutschland abgebildet. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
› Bezüglich der Personalstruktur in den Kindertageseinrichtungen konnte zwar nachgezeichnet werden, dass im Jahr 2022 bundesweit ein neuer Höchststand beim pädagogischen Personal erreicht wurde, jedoch zuletzt mit einem leicht abgebremsten Wachstum. Auf Länderebene konnten uneinheitliche Entwicklungen beobachtet werden. In den ostdeutschen Ländern ist der Anteil des älteren Personals weiterhin höher als in den westdeutschen Ländern, sodass mit häufigeren Ein- oder Austritten wegen Erreichen des Rentenalters zu rechnen ist. Darüber hinaus konnte in vielen Ländern zusätzliches Personal durch Personen in der Ausbildung gewonnen werden.
› Beim Indikator Personalgewinnung und -bindung konnte gezeigt werden, dass das pädagogische Personal kaum bestrebt ist, aus dem Arbeitsfeld auszusteigen, sodass sich grundsätzlich eine starke Bindung zeigt. Allerdings konnten zuletzt – auf einem sehr niedrigen Niveau – erste Anzeichen einer erhöhten Wechselbereitschaft beobachtet werden. Falls bislang Wechsel vorgenommen wurden, war dies meist auf eine Stelle in einer anderen Einrichtung oder die Personen sind in Rente gegangen.
› Im Hinblick auf das Ausbildungssystem zeigte sich im Abgleich mit anderen Studien (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2023; Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik 2024), dass zuletzt zwar weiterhin Jahr für Jahr mehr Personen eine einschlägige Ausbildung beginnen, allerdings zuletzt kein starker Zuwachs mehr bei den Absolventinnen und Absolventen zu beobachten ist, was auf verstärkte Wechsel oder Abbrüche der Ausbildungen hindeutet. Zudem zeichnen sich mit Blick auf die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung in einigen Ländern Transformationen von der vollzeitschulischen hin zu einer praxisintegrierten und Teilzeitausbildung ab. Des Weiteren konnte beobachtet werden, dass die Zahl der Personen mit einschlägigem Fachschulabschluss anteilig in sehr geringem Umfang zurückging, obwohl diese Gruppe nach wie vor jedes Jahr den größten Zuwachs verzeichnet. Dies kann u. a. eine Folge der zuletzt nur gering steigenden Absolventinnen- und Absolventenzahlen sein.
› Dem Indikator Fort- und Weiterbildung kommt im Berufsfeld der FBBE eine bedeutende Rolle zu. Sie wird durch Träger und Leitungen von Kindertageseinrichtungen unterstützt und gesteuert. Die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen nahm allerdings zuletzt in einigen Ländern ab, was vor allem mit fehlenden zeitlichen Ressourcen aufgrund von Personalmangel in den Einrichtungen begründet wurde. Aber auch das Fehlen passender Angebote ist weiterhin sehr relevant für die Nichtteilnahme an Fort- und Weiterbildungen.
› Durch den Indikator Arbeitsbedingungen konnte dargelegt werden, dass die Beschäftigungsverhältnisse des pädagogischen Personals von hohen – meist gewünschten – Teilzeitanteilen mit meist weit mehr als einer Halbtagsstelle und unbefristeten Arbeitsverhältnissen geprägt sind. Des Weiteren konnten zuletzt erhöhte Anstiege des Arbeitsentgelts beobachtet werden, die jedoch geringer als die Inflationsrate waren. Ein Blick auf die Einarbeitung konnte zeigen, dass bundesweit meist sowohl Leitungen als auch das Team in die Einarbeitung von neuem Personal einbezogen werden. Betrachtet man die Wertschätzung, so fühlte sich das Personal 2022 im Vergleich zu 2020 eher von den Eltern als von der Gesellschaft wertgeschätzt. Und schließlich wurde deutlich, dass das pädagogische Personal in den Kindertageseinrichtungen, trotz der aktuell angespannten Situation im Feld, eine hohe Arbeitszufriedenheit äußerte.
HF-04 Stärkung der Leitung (Janette Buchmann und Ebru Balaban-Feldens )
Leitungen von Kindertageseinrichtungen nehmen eine wichtige Schnittstellenfunktion ein, durch die sie die Qualität in den Kindertageseinrichtungen maßgeblich mitgestalten. So sind sie Ansprechpartner für Jugendämter, Träger, Fachberatungen, das Team und nicht zuletzt für die Eltern, deren Relevanz im Zuge der steigenden Anforderungen an die FBBE zunimmt. Leitungen sind vorwiegend für administrative wie auch pädagogische Leitungsaufgaben verantwortlich.
Die Stärkung der Leitung und deren Potenzial wird erfasst durch Leitungsprofile von Kindertageseinrichtungen, Arbeitsbedingungen von Leitungen, deren Ausbildung und Qualifikation sowie Bedarfe und Inanspruchnahme von Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Folgende zentrale Ergebnisse können festgehalten werden:
› Die bereits in den ERiK-Forschungsberichten I, II und III (Buchmann/Balaban-Feldens 2023; Buchmann/Ziesmann/Drexl 2022; Klinkhammer/Ziesmann/Buchmann 2021) beobachtbaren Entwicklungen der Leitungsprofile von Kindertageseinrichtungen zeichnen sich weiter in den Daten der KJH-Statistik ab: Der Anteil an Einrichtungen mit vertraglich festgelegten Leitungsressourcen (Personal- und Zeitressourcen) steigt langsam, aber kontinuierlich. Insbesondere in größeren Kindertageseinrichtungen sind Leitungen häufiger ausschließlich für Leitungsaufgaben zuständig, oder die Leitung wird auf ein Team übertragen. Im Vergleichszeitraum stieg seit 2019 der Anteil der Leitungsteams insbesondere in großen Einrichtungen, während die Leitung in kleinen Einrichtungen zunehmend durch eine Person organisiert wurde, die ausschließlich Leitungsaufgaben übernimmt.
› Die Daten der ERiK-Surveys zeigen weiter, dass die für Leitungsaufgaben vertraglich vereinbarten Zeitressourcen in der Regel geringer sind als die Wochenstunden, die Leitungen dafür aufgewendet haben. Dies gilt insbesondere für Leitungen, die nicht ausschließlich Leitungsaufgaben übernehmen. Im Vergleich zu den 2020 teilnehmenden Leitungen scheint sich 2022 aber eine marginal geringere Belastung bei diesen Leitungen abzuzeichnen.
› Die im Rahmen der ERiK-Surveys 2022 befragten Leitungen erlebten die Belastung aufgrund fehlender Zeitressourcen wegen Personalmangels im pädagogischen Alltag signifikant stärker als die der ERiK-Surveys 2020. Eine Unterstützung durch die Träger zur Gewährleistung der kompetenten Leitungsausübung gewinnt damit weiter an Bedeutung.
› Träger unterstützen Leitungen weiterhin insbesondere durch Fort- und Weiterbildungen zu Leitungsaufgaben, durch den Austausch mit anderen Leitungen oder mit der Fachberatung und durch Feedbackgespräche zur Leitungstätigkeit.
› Die Leitung wird mehrheitlich von fachschulisch Qualifizierten ausgeübt. Der Akademisierungsgrad unter den Leitungen von Kindertageseinrichtungen ist damit weiterhin gering, bei gleichbleibend starken Länderunterschieden. Landesregelungen und vom Träger definierte Qualifikationsvoraussetzungen spiegeln sich dabei weitestgehend wider.
› Fehlende Zeitressourcen stellen nicht nur eine Belastung für den pädagogischen Alltag, sondern auch für die Personalentwicklung in der FBBE dar. Im Vergleich zum Jahr 2020 war die Teilnahme von Leitungen und pädagogischem Personal an Fort- und Weiterbildungen bedeutend niedriger (vgl. Kap. HF-03). Inwiefern dies durch Einflüsse, wie die Corona-Pandemie, bedingt war oder sich ein Trend abzeichnet, bleibt mit den Daten der ERiK-Surveys 2024 zu validieren. Obgleich Leitungen 2022 seltener als in den ERiK-Surveys 2020 angaben, aufgrund fehlender passender Angebote nicht an Fort- und Weiterbildungen teilgenommen zu haben, stellt dies weiterhin den zweithäufigsten Hinderungsgrund dar.
› Nahmen Leitungen an Fort- und Weiterbildungen teil, so nutzten sie 2022 vermehrt Angebote zu klassischen Leitungsthemen.
HF-05 Verbesserung der räumlichen Gestaltung (Michael Müller, Theresia Pachner und Nadira Tursun)
Die räumlich-materiale Umgebung in Kindertageseinrichtungen ist unmittelbar mit den Möglichkeiten für Entwicklungs-, Lern- und Bildungsprozesse verknüpft. Als wichtiges Merkmal von Strukturqualität bildet sie den Rahmen für die Interaktion zwischen Fachkräften und Kindern und steht damit in direktem Zusammenhang mit der pädagogischen Qualität in Kindertageseinrichtungen.
Dieses Qualitätsmerkmal wird abgebildet durch die zur Verfügung stehenden Innen- und Außenflächen, die Anzahl und Art der Räume in der Kindertageseinrichtung, die Einschätzung der räumlichen Bedingungen durch das pädagogische Personal, die Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Raumgestaltung durch das pädagogische Personal sowie Barrierefreiheit. Es lassen sich folgende Ergebnisse zusammenfassend berichten:
› Die Nutzbarkeit des Außengeländes und der Räumlichkeiten wurde 2022 als geringer eingeschätzt, wobei dies nicht mit der Gruppenstruktur, der Region oder der Größe der Einrichtung in Bezug stand. Auch wenn die Größe der Innenflächen 2022 bundesweit tendenziell zunahm (1), so blieb gleichzeitig das Fläche-Kind-Verhältnis weitgehend konstant. Hierbei sind die Unterschiede in puncto Raumsituation zwischen den Ländern teilweise substanziell, wobei ostdeutsche Länder tendenziell eine günstigere räumliche Situation als westdeutsche Länder aufweisen.
› Demgegenüber stehen Einschätzungen der Eltern und Kinder, welche insgesamt mit den Räumlichkeiten zufrieden sind. Wie erwartet zeigte sich durch Hinzuziehen der Perspektive der Kinder in diesem Kontext, dass es für Kinder wichtig ist, sich sowohl drinnen als auch draußen bewegen und spielerisch entfalten zu können. Der 2022 bundesweit und in einigen Ländern beobachtete Rückgang der pro Kind zu Verfügung stehenden Flächen könnte deshalb für Kinder zukünftig problematisch werden.
› Verbesserungsbedarf bei den Räumlichkeiten aus Sicht des pädagogischen Personals zeigte sich weiterhin vor allem beim Gesundheitsschutz. Positiv hervorzuheben ist, dass Kinder nach Einschätzung des pädagogischen Personals im Zeitvergleich tendenziell etwas mehr Partizipationsmöglichkeiten bei der Gestaltung und Ausstattung von Räumen in ihrer Einrichtung hatten. Des Weiteren wird auch weiterhin auf der Steuerungsebene auf Barrierefreiheit geachtet, was sich an der Förderung von baulichen Adaptionen zeigte.
› Nach der Corona-Pandemie hat sich die Auslastung der Kindertageseinrichtungen wieder weitgehend normalisiert (Kuger u. a. 2022), sodass die Angaben aus dem Jahr 2022 im Vergleich zu denen während der Pandemie aus dem Jahr 2020 letztendlich das adäquate Bild der räumlichen Situation in den Kindertageseinrichtungen widerspiegeln.
HF-06 Förderung der kindlichen Entwicklung, Gesundheit, Ernährung und Bewegung (Lisa Ulrich, Melina Preuß und Johanna Romefort)
Die Förderung gesundheitsbezogener Einstellungen und Verhaltensweisen im Kindesalter ist von besonderer Relevanz, da sich diese früh ausbilden und bis ins Erwachsenenalter fortsetzen. Insbesondere gibt es Unterschiede beim Zugang zu gesunder Ernährung, ausreichender Bewegung und stabiler psychischer Entwicklung hinsichtlich des sozioökonomischen Status der Kinder. Als wichtige Sozialisationsinstanz kommt den Kindertageseinrichtungen hier eine zentrale Funktion zu. Einen Einblick in die Situation gesundheitsbezogener Rahmenbedingungen geben Art und Umfang von Gesundheitsförderung als Querschnittsthema im pädagogischen Alltag, die Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen mit Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern im Bereich Gesundheit, das Vorhandensein von qualitativ hochwertiger, gesunder und ausgewogener Ernährung sowie die Art und Umsetzung der Bewegungsförderung. Folgende Ergebnisse lassen sich zusammenfassend berichten:
› Im Rahmen des Indikators Gesundheitsförderung als Querschnittsthema im pädagogischen Alltag lässt sich beobachten, dass in der Wahrnehmung des pädagogischen Personals ein Verbesserungsbedarf der pädagogischen Konzeption von Kindertageseinrichtungen besteht. Der angezeigte Verbesserungsbedarf ist für die Bereiche der Gesundheitsförderung, der sozialemotionalen Entwicklung und der Motorik und Bewegung im Vergleich der Jahre 2020 und 2022 noch einmal signifikant gestiegen. Gleichzeitig sind seitens des pädagogischen Personals und der Kindertagespflegepersonen die Teilnahmen an Fort- und Weiterbildungen zu den gesundheitsbezogenen Themenbereichen der Bewegung/Psychomotorik/Gesundheit, des Kinderschutzes und der sozialemotionalen Entwicklung der Kinder im Zeitvergleich auf einem vergleichsweise konstant hohen Niveau bzw. weiter gestiegen. Jedoch wurde auch im Jahr 2022 ein hoher Bedarf an Fort- und Weiterbildungen bezüglich der sozial-emotionalen Entwicklung von Kindern gesehen. Während die Bereiche der Hygiene, Ernährung und Bewegung häufig zwischen pädagogischem Personal und Kindern thematisiert wurden, trifft dies für den Bereich der psychischen Gesundheit nicht zu. Weiterhin konnte der Indikator durch die Kinderperspektive erweitert werden, indem Kinder Angaben zu ihrem Wohlbefinden und der sozialen Eingebundenheit in der Kindertageseinrichtung machten.
› Die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern im Bereich Gesundheit kann eine Unterstützung des pädagogischen Personals bei der Umsetzung ihres
Bildungs- und Erziehungsauftrags darstellen. Im Schnitt arbeiteten Kindertageseinrichtungen im Jahr 2022 mit mindestens drei Bereichen von Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern aus dem gesundheitlichen Spektrum, d. h. Vereinen, Frühförderstellen, sozialen Diensten oder Stellen für Frühe Hilfen, Erziehungs- und Familienberatung, zusammen. Die Intensität der Zusammenarbeit korreliert hierbei mit dem Anteil der betreuten Kinder mit einem sozioökonomisch benachteiligten Hintergrund.
› Mit Bezug auf eine qualitativ hochwertige, gesunde und ausgewogene Ernährung in der Kindertagesbetreuung erfasste die KJH-Statistik im Jahr 2022 mit 2,72 Millionen Kindern, die an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen teilnahmen, einen neuen Höchststand. Der überwiegende Teil an Kindertageseinrichtungen (88,9 %) in Deutschland organisierte über ihre Einrichtung eine Mittagsverpflegung, wobei nach Angaben der Leitungen der ERiK-Surveys 2022 bei weniger als der Hälfte der Einrichtungen Standards für die Verpflegung, wie beispielsweise die DGE-Qualitätsstandards oder die Bremer Checkliste, vorlagen. Der Anteil an Einrichtungen mit entsprechenden Standards nahm im Zeitvergleich jedoch leicht zu (2022: 44 %; 2020: 40 %). Auch Kindertagespflegepersonen boten größtenteils ein Mittagessen an (95 %). Die Frage nach der Zufriedenheit mit dem angebotenen Essen antworteten Kinder im Rahmen der Kinderbefragung der ERiK-Surveys 2022 größtenteils positiv.
› Hinsichtlich der Bewegungsförderung gab das pädagogische Personal überwiegend an, dass in ihren Einrichtungen eine alltagsintegrierte Bewegungsförderung stattfand. Vor allem grob- und feinmotorische Aktivitäten konnten nach Angaben der pädagogisch Tätigen gezielt und regelmäßig in den Alltag integriert werden. Zudem wurde sowohl seitens des pädagogischen Personals als auch seitens der Kindertagespflegepersonen der Förderung körperlicher und motorischer Fähigkeiten ein hoher Stellenwert zugeschrieben. Ähnlich viel Bedeutung maßen die pädagogisch Tätigen den sozialen Kompetenzen bei. Ferner konnte der Indikator durch die Perspektive der Kinder ergänzt werden, die angaben, wie häufig sie sich im Innen- und Außenbereich der Einrichtung bewegen konnten. Jedes zweite Kind gab an, dass es ganz oft im Kindergarten rennen, klettern oder turnen darf, und fast alle Kinder berichteten, dass sie ganz oft oder manchmal draußen spielen dürfen.
HF-07 Förderung der sprachlichen Bildung (Sonja Herrmann und Lisa Ulrich)
Sprachliche Fähigkeiten sind ein zentrales Element gelingender Bildungsprozesse und gesellschaftlicher Teilhabe, die oft einem sozialen Gradienten folgen. Der Grundstein hierfür wird bereits in der frühen Kindheit gelegt, sodass Kindertageseinrichtungen eine wichtige Funktion bei der Herstellung von Chancengleichheit zukommt. Ziel ist es, sprachliche Differenzen bis zum Grundschuleintritt auszugleichen, sodass insbesondere Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache und aus sozial- und bildungsbenachteiligten Familien davon profitieren können. Die Rahmenbedingungen der sprachlichen Bildung in Kindertageseinrichtungen werden abgebildet durch die Erfassung sprachlicher Bildung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals, von Mehrsprachigkeit im Alltag von Kindertageseinrichtungen sowie der Umsetzung von Sprachförderkonzepten.
Zentrale Ergebnisse lassen sich folgendermaßen berichten:
› Insgesamt zeichnet sich eine leichte Zunahme der Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache in den ostdeutschen Ländern seit dem Jahr 2019 ab, der Anteil ist aber weiterhin mit 11 % bei den unter 3-Jährigen und 14 % bei den Kindern im Alter ab 3 Jahren gering. Dieser schrittweise Anstieg deutet darauf hin, dass sich die Sprachnutzungsmuster in dieser Region langsam verändern. Dies könnte auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, darunter möglicherweise verstärkte Migration, die zu einer sprachlichen Diversifizierung innerhalb der Kindertageseinrichtungen führt.
› Die Angaben zum Umfang der Angebote zur Förderung von Mehrsprachigkeit (z. B. mehrsprachiges Singen oder mehrsprachige Bücher) in Kindertageseinrichtungen sind überwiegend unverändert geblieben oder haben sich seit dem Jahr 2020 geringfügig erhöht. Allerdings gab deutlich mehr pädagogisches Personal an, mit den Kindern in weiteren Sprachen als Deutsch zu sprechen als noch im Jahr 2020. Diese Verschiebung in der Sprachpraxis des pädagogischen Personals zeigt eine mögliche Anpassung an die zunehmende Vielfalt der Sprachhintergründe der Kinder. Es könnte darauf hinweisen, dass Erzieherinnen und Erzieher vermehrt Mehrsprachigkeit als Ressource nutzen, um die sprachliche Integration und Inklusion aller Kinder in den Bildungseinrichtungen zu fördern. Je höher der Anteil an Kindern mit Deutsch als Zweitsprache in einer Kindertageseinrichtung, desto mehr Aktivitäten zur Mehrsprachigkeit wurden nach Angaben des pädagogischen Personals angeboten. Dieser Befund zeichnete sich bereits im Jahr 2020 ab und unterstreicht den Ansatz vieler Kindertageseinrichtungen, Vielfalt zu unterstützen und sprachliche Kompetenzen durch gezielte pädagogische Maßnahmen zu fördern.
› In der formalen Ausbildung des pädagogischen Personals fanden vor allem Themen wie Sprachspiele und Literacy/Sprache allgemein Anwendung, vorstrukturierte Programme zur Sprachförderung fanden seltener Einzug in die Ausbildung. In Abhängigkeit der Alterskohorte des pädagogischen Personals ist außerdem eine über die Jahrzehnte deutliche Zunahme sämtlicher Aspekte der Sprachförderung in der formalen Ausbildung erkennbar. Besonders hervorzuheben ist dabei die Mehrsprachigkeit. Dieses Thema nahm in der Ausbildung des pädagogischen Personals kontinuierlich an Wichtigkeit zu, was als eine Antwort auf die steigende Zuwanderung und Mehrsprachigkeit im Alltag der Kindertageseinrichtungen gewertet werden kann.
› Die überwiegende Mehrheit der Kindertageseinrichtungen nutzte die freie Beobachtung zur Einschätzung kindlicher Sprachkompetenzen. Standardisierte Tests (z. B. HASE-Screening) finden dagegen nur selten Anwendung. An dieser Stelle sei zudem darauf hingewiesen, dass die Mehrsprachigkeit von Kindern in Kindertageseinrichtungen bei vielen Sprachstandserhebungsverfahren oft nicht ausreichend berücksichtigt wird (Faas/Götz/Müller 2021). Dadurch besteht die Gefahr, dass bei mehrsprachigen Kindern fälschlicherweise ein Sprachförderbedarf diagnostiziert wird (Schulz/Tracy/Wenzel 2008). Eine inklusive und differenzierte Sprachstandsdiagnostik würde die individuelle Entwicklung von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache stärker berücksichtigen und die Chancengleichheit gleichermaßen fördern.
HF-08 Stärkung der Kindertagespflege (Michael Müller, Norina Wallußek, Catherine Tiedemann)
Insbesondere für Kinder unter 3 Jahren stellt die Kindertagespflege in Deutschland ein häufig genutztes Betreuungsangebot dar und ist damit ein fester Bestandteil der FBBE, deren Bildungs- und Erziehungsauftrag im SGB VIII verankert ist. Es bestehen zwar einige Unterschiede zu Kindertageseinrichtungen hinsichtlich der Betreuungsstruktur, pädagogischen Konzepte und Organisation, es sind aber für die Kindertagespflege dennoch vergleichbare Qualitätsanforderungen an deren Rahmenbedingungen zu diskutieren. Diese werden abgebildet durch allgemeine Strukturmerkmale der Kindertagespflege wie das vorherrschende Qualifizierungsniveau der Kindertagespflegepersonen, deren Berufs- und Tätigkeitsverständnis, die Tätigkeitsbedingungen, unter denen sie arbeiten, die Räumlichkeiten und Ausstattung, Angaben zu Qualitätsentwicklung und Fachberatung in der Kindertagespflege sowie Kooperationen und Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen, Institutionen oder Verbänden. Zentrale Ergebnisse lassen sich zusammenfassend wie folgt berichten:
› Bezüglich der eingangs erwähnten Verberuflichungstendenzen konnte festgestellt werden, dass es zu einer Zunahme an Großtagespflegestellen kam und auch der Wunsch zum Zusammenschluss mit anderen Kindertagespflegepersonen sich in den ost- und westdeutschen Ländern anglich. Dies allein ist jedoch kein Beleg für eine durchgängige Verberuflichung der Kindertagespflege. Dennoch lassen sich auch weiterhin Entwicklungen nachweisen, die anzeigen, dass die Kindertagespflegepersonen ihre Tätigkeit nicht nur dauerhaft ausüben, sondern sich auch durch die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen weiter qualifizieren. Ebenso ist nach wie vor nachweisbar, dass das Niveau der Qualifizierung mit der Zahl der Kinder in Betreuung korrespondiert. Die erkennbare hohe Verbundenheit mit der Kindertagespflege tritt aber gleichzeitig mit dem Wunsch von ca. einem Drittel der Kindertagespflegepersonen auf, in einer Kindertageseinrichtung arbeiten zu wollen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kindertagespflegepersonen insgesamt unzufrieden mit ihrer Tätigkeit sind. Im Gegenteil zeigte sich, dass im Kontrast zu anderen Entwicklungen, welche eher in die Richtung zeigen, dass auch die Kindertagespflege als Betreuungsform aktuell unter Druck gerät (z. B. Integration von Kindertagespflegepersonen in Kindertageseinrichtungen zur Kompensation von Personalmangel), die Arbeitszufriedenheit weiterhin auf hohem Niveau ist.
› In Hinblick auf die mittelbare pädagogische Arbeit konnte in diesem Berichtsjahr (2022) gezeigt werden, dass die Zeiten für diese rahmenden Tätigkeiten zunehmen. Auch wenn die Abgrenzung der Vor- und Nachbereitungszeiten von ohnehin anfallenden Haushaltstätigkeiten zumindest für diejenigen Kindertagespflegepersonen, die ihre Tätigkeit in der eigenen Wohnung ausüben, schwierig ist. Aus der Perspektive einer Steigerung der Qualität der Kindertagespflege ist diese Entwicklung zu begrüßen, jedoch werden diese Stunden aktuell nur teilweise entlohnt und dies auf sehr unterschiedlichem Niveau. Ein entsprechendes Ausbaupotenzial im Hinblick auf die Qualität wird dadurch erkennbar, dass Kindertagespflegepersonen mit niedrigerer Qualifizierung tendenziell weniger Zeit für Vor- und Nachbereitung aufwenden.
› Unklar bleiben nach wie vor die genauen Fachberatungskonstellationen in der Kindertagespflege. Bislang konnte auf Basis der vorliegenden Daten nicht genau differenziert werden, wie viele und welche Personen als Fachberatung für die Kindertagespflege in den Jugendamtsbezirken tätig sind. Zwar zeigte sich, dass bei einer höheren Anzahl an Kindertagespflegepersonen pro Jugendamtsbezirk ungünstigere Verhältnisse von Fachberatern bzw. Fachberaterinnen und Kindertagespflegepersonen vorlagen; ob diese Fachberaterinnen und Fachberater aber ausschließlich oder in unterschiedlichen Umfängen für die Kindertagespflegepersonen zuständig sind, ließ sich nicht abschließend klären. Für die Weiterentwicklung des Monitorings ist dies eine der zentralen Herausforderungen. Da den Fachberaterinnen und Fachberatern insbesondere in der Kindertagespflege, die weitestgehend unabhängig und selbstständig ausgeübt wird, in Fragen der Qualität und Qualitätsentwicklung eine zentrale Rolle zukommt, sollte hierauf ein besonderer Fokus gerichtet werden.
› Kritisch hervorzuheben sind die rückläufigen Unterstützungsleistungen der Jugendämter und die weiterhin nicht voll ausgeschöpften Ausbaupotenziale bei der Vernetzung in der Kindertagespflege. Möglichkeiten der Unterstützung und Vernetzung, um den steigenden Anforderungen und Qualitätsansprüchen an die Kindertagespflege weiterhin gerecht werden zu können, sollten daher genutzt werden.
HF-09 Verbesserung der Steuerung des Systems (Melina Preuß und Lisa Ulrich)
Trägern und Jugendämtern kommt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung von Qualität im mehrstufigen System der Kindertagesbetreuung in Deutschland zu. Die Jugendämter sorgen dafür, dass die Bildung, Betreuung und Erziehung in den Kindertageseinrichtungen den gesetzlichen Ansprüchen genügt, in ausreichendem Maß Plätze zur Verfügung stehen und stellen Unterstützungsangebote bereit. Die Träger hingegen sorgen für die inhaltliche und organisatorische Arbeit in der Kindertageseinrichtung, die Konzeptionsentwicklung, das Qualitäts-, Personal und Finanzmanagement sowie die Bedarfsermittlung und Angebotsplanung. Dabei kooperieren Jugendämter und Träger eng. Die Qualität dieser steuerungsrelevanten Institutionen wird im Folgenden abgebildet durch Art und Umfang von Netzwerken und Kooperationen von Akteuren in der FBBE, das Erfassen der lokalen Angebotsgestaltung sowie der Qualitätsentwicklung und -sicherung. Ebenso erhoben wird die Rolle der Fachberatung und des systematischen Monitorings als Datengrundlage für die Qualitätsentwicklung. Folgende Ergebnisse lassen sich zusammenfassend berichten:
› Die 574 Jugendämter in Deutschland orientieren sich am lokalen Bedarf des jeweiligen Bezirks und weisen per se unterschiedliche Organisationsstrukturen aus. Während im Jahr 2022 etwa 39 % der Jugendämter eine Doppelfunktion einnahm, d. h. öffentlicher Träger der freien Jugendhilfe und Träger von Kindertageseinrichtungen waren, lag die hauptsächliche Zuständigkeit der Jugendämter in den Bereichen der Bedarfsplanung, der Fachaufsicht öffentlicher Kindertageseinrichtungen sowie in der Qualitätssicherung der Betreuungsangebote. Die Trägerlandschaft insgesamt zeichnete sich auch 2022 durch eine heterogene und länderspezifische Vielfalt aus.
› Netzwerke und Kooperationen sind im Feld auf verschiedenen Ebenen strukturell verankert. Von einem Großteil der Jugendämter wurden im Jahr 2022 regelmäßige Treffen für Träger, aber auch für Leitungen organisiert. Drei Viertel der Träger sind in Netzwerken, beispielsweise durch den Anschluss an einen Dachverband, organisiert. Träger schätzen die Zusammenarbeit mit den Leitungen deutlich positiver ein als umgekehrt.
› Die lokale Angebotsplanung hebt die Gesamtverantwortung der Jugendämter im Rahmen des Ausbaus der FBBE-Angebote auf Bezirksebene hervor. In mehr als 78 % der Jugendamtsbezirke wurde im Jahr 2022 eine regelmäßige Bedarfsplanung durchgeführt. Jugendämter ermittelten den Bedarf in erster Linie in Absprache mit den Kommunen, dem Jugendhilfeausschuss und mit den Trägern von Kindertageseinrichtungen unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Parameter (z. B. Bevölkerungsentwicklung, sozialräumliche Faktoren). Die Planung eines weiteren Ausbaus an Betreuungsplätzen setzte sich 2022 insbesondere hinsichtlich ganztägiger Angebote für alle Altersgruppen fort.
› Im Fokus konkreter Maßnahmen zur Sicherung und Entwicklung von Qualität in den Kindertageseinrichtungen stehen die Vorgaben und Unterstützungsleistungen vonseiten der Träger. Hier zeigte sich auch für das Jahr 2022 eine heterogene Umsetzungspraxis auf Einrichtungsebene, welche einerseits aus oftmals weichen Vorgaben auf Länder- und lokaler Ebene und Verantwortungsdelegation, andererseits aus trägerinternen Entscheidungen resultiert. Insgesamt strebte ein Drittel der Jugendämter 2022 eine gemeinsame Qualitätsvereinbarung mit den Trägern an. In der Tendenz gaben Träger eher interne als externe Evaluation vor, vor allem aber legten sie Wert auf die Befragung der Eltern im Hinblick auf Qualitätsentwicklung. Im Jahr 2022 unterstützten Träger ihre Leitungen und Einrichtungsteams mitunter durch regelmäßige Supervisionen oder Team-Fortbildungen. Im Rahmen von Fort- und Weiterbildung sind deutliche Rückgänge hinsichtlich der Trägervorgaben zu beobachten.
› Der Bereich der Fachberatung stellt nach wie vor ein wenig reguliertes und vielfältiges Arbeitsfeld dar. Es zeigten sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der Verortung der Fachberatung, des Aufgabenspektrums sowie der Qualifikationsanforderungen zur Aufnahme einer Tätigkeit. Träger stellten ihren Kindertageseinrichtungen im Jahr 2022 eher Fachberatungen aus dem Jugendamt oder von (Dach-)Verbänden zur Verfügung. Ein Viertel der Träger konnte eine eigene Fachberatung anbieten. Hinsichtlich des gewünschten Qualifizierungsniveaus zur Aufnahme einer Fachberatungstätigkeit unterschieden sich die Vorgaben der Jugendämter von denen der Träger. Zudem war im Jahr 2022 eine im Jugendamt angestellte Fachberatung für deutlich mehr Einrichtungen zuständig als eine beim Träger angestellte Fachberatung.
› Ein regelmäßiges Monitoring auf allen Ebenen kann durch die systematische und langfristige Sammlung systemrelevanter Daten gesichert werden. Eine regelmäßige Veröffentlichung von Berichten zur Kindertagesbetreuung erfolgt bei der Hälfte der Jugendämter, wobei für die Berichterstattung vorwiegend amtliche und kommunale Daten und seltener Daten aus dem Praxisfeld genutzt wurden. Bezogen auf das Beschwerdemanagement für den Bereich der FBBE bestanden für Eltern mehr Möglichkeiten einer Beschwerde beim Träger, seltener beim Jugendamt. Dennoch erhöhte sich das Angebot an Service-Hotlines und Postfächern im Jugendamt deutlich.
HF-10 Bewältigung inhaltlicher Herausforderungen (Theresia Pachner und Tim Ziesmann)
Kindertageseinrichtungen in Deutschland stehen vor einer Vielzahl heterogener Herausforderungen, die durch gesellschaftliche Phänomene wie den Wandel durch Migration, Digitalisierung, Pluralisierung und Individualisierung von Lebenslagen angestoßen werden. Gleichzeitig werden gesetzlich im SGB VIII verankerte Erwartungen und Anforderungen an die Fachkräfte herangetragen wie die Integration von Kindern mit besonderen Bedarfen, inklusive Pädagogik, die Zusammenarbeit mit Eltern und Familien sowie die Nutzung der Potenziale des Sozialraums und Kinderschutz. Dass diese erfolgreich gemeistert werden, ist zentral für die Qualität in Kindertageseinrichtungen. In diesem Kontext erhobene Qualitätsaspekte der FBBE in Deutschland umfassen Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern, Aspekte des Kinderschutzes, den Abbau geschlechterspezifischer Stereotype, den Umgang mit Inklusion und Diversität in der Pädagogik in der Einrichtung, Zusammenarbeit mit und Beteiligung von Eltern und Familien in der Einrichtung sowie sozialräumliche Öffnung und Vernetzung von Kindertageseinrichtungen insbesondere in belasteten Sozialräumen. Folgende Ergebnisse lassen sich zusammenfassend darstellen:
› Im Hinblick auf die Beteiligung von Kindern zeigten die Daten, dass Kinder vor allem bei „wo, mit wem und was spielen“ Mitsprachemöglichkeiten hatten, wobei jüngeren Kindern allgemein geringere Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt wurden. Werden die Perspektiven des pädagogischen Personals und die der Kinder gegenübergestellt, so zeigte sich übereinstimmend, dass die Selbst- und Mitbestimmung der Kinder beim Thema Spielen am ausgeprägtesten war. Im kleineren Kontext der Kindertagespflege hatten Kinder insgesamt mehr Rückzugsmöglichkeiten sowie mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Planung des Tages und des Essens als in Kindertageseinrichtungen mit größeren Kindergruppen. Unterschiede zwischen den Betreuungsformen im Zeitvergleich könnten u. a. auf die noch bestehenden Maßnahmen der Corona-Pandemie im Jahr 2022 zurückzuführen sein.
› Das Thema Kinderschutz war weiterhin ein wichtiges Thema für Fachkräfte, was sich zum einen durch gesteigerte Teilnahmequoten an Fort- oder Weiterbildungen zu diesem Thema und zum anderen durch einen weiterhin hohen Fort- und Weiterbildungsbedarf zeigte. Der Anteil des pädagogischen Personals, welcher berichtete, dass es in seiner Einrichtung ein schriftliches Kinderschutzkonzept gab, stieg im Zeitverlauf an. Der Anteil der Kindertagespflegepersonen, welche berichteten, dass dies fehlte, war mit 45 % anhaltend hoch. Für Jugendämter war die Erarbeitung eines kommunalen Kinderschutzkonzepts auch im Jahr 2022 weiterhin ein wichtiges Qualitätsziel.
› In Bezug auf den Abbau geschlechterspezifischer Stereotype zeigte sich bundesweit ein weiterer geringfügiger Anstieg des Männeranteils beim pädagogischen Personal, Leitungspersonal und bei Kindertagespflegepersonen. Der Anteil der Männer in der Kindertagespflege war weiterhin geringer als in Kindertageseinrichtungen. Männer waren dabei nicht häufiger für Leitungsaufgaben angestellt als Frauen. Auf Länderebene war im Zeitverlauf nicht überall ein Zuwachs männlicher Leitungs- oder Kindertagespflegepersonen zu verzeichnen.
› Die Wichtigkeit des Themas Inklusion und Diversität bzw. inklusiver und diversitätssensibler Pädagogik zeigte sich vor allem beim pädagogischen Personal durch den weiterhin hohen Bedarf an Fort- und Weiterbildungen zum Thema trotz leicht gestiegener Teilnahmequoten. Eine kultursensible Zusammenarbeit war dennoch in fast jeder zweiten Einrichtung, vor allem durch die Mehrsprachigkeit des Personals, gegeben. Des Weiteren erfuhren Kinder insbesondere Unterstützung im Hinblick auf Diskriminierung oder erhielten Fördermaßnahmen im Falle von Entwicklungsverzögerungen, herausfordernden Verhaltensweisen oder bei (drohenden) Behinderungen. Aktivitäten zu den unterschiedlichen ethnischen bzw. kulturellen Identitäten oder multikulturelle Veranstaltungen wurden dagegen nur von weniger als der Hälfte der Kindertageseinrichtungen und etwas mehr als einem Drittel der Kindertagespflegestellen durchgeführt. Diese Ergebnisse deuten auf Möglichkeiten zur Weiterentwicklung hin.
› In den meisten Kindertageseinrichtungen war der Anteil der Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache gering (unter 25 %). Es zeigten sich deutliche regionale Unterschiede. Vor allem in eher urban geprägten Ländern waren segregierte Einrichtungen (mit mehr als 50 % Kindern mit ndF) häufiger. In Ländern mit einem hohen Ausgangswert bei Kindern mit ndF war ein weiterer Anstieg an segregierten Einrichtungen zu beobachten. Kinder mit ndF zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt besuchten häufiger segregierte Einrichtungen als unter 3-Jährige. Im Zeitvergleich gab es keine deutlichen Veränderungen in Kindertageseinrichtungen bezüglich des Anteils der Kinder mit Fluchthintergrund.
› Deutschlandweit werden nur wenige Kindertageseinrichtungen von Kindern mit Eingliederungshilfe (EGH) besucht. Wenn Einrichtungen Kinder mit EGH betreuten, arbeiteten diese überwiegend inklusiv. Im Zeitverlauf zeigte sich eine fortlaufende Tendenz hin zu inklusiven Einrichtungen. Nichtsdestotrotz bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Ländern: sowohl im Hinblick auf die vorherrschende Art der Betreuung von Kindern mit EGH als auch auf die Entwicklung der Anteile der jeweiligen Betreuungsarten.
› Die Beteiligung von und Zusammenarbeit mit Eltern und Familien fand insbesondere durch Informationsangebote wie Elternbriefe, E-Mails, Gespräche beim Bringen oder Abholen des Kindes statt, wobei sich einige Eltern mehr Entwicklungs- oder Tür- und Angelgespräche wünschten. Diese Befunde sind auch im Kontext der Aussagen von Leitungskräften hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Eltern und Familien zu sehen. Elternbriefe und Entwicklungsgespräche stellen nach Aussage der Leitungen zwar die häufigste Form der Zusammenarbeit dar, waren laut vieler Eltern aber nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Neben dem bloßen Bereitstellen bestimmter Angebote erscheint somit auch deren Ausgestaltung von Bedeutung zu sein. Im Zeitvergleich konnte eine Abnahme des Einflusses der Corona-Pandemie beobachtet werden.
› Im Hinblick auf die sozialräumliche Öffnung und Vernetzung konnte eine abnehmende Intensität der Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen beobachtet werden. Des Weiteren gab nur ein geringer Teil der Träger an, dass Unterstützungsmaßnahmen für Kindertageseinrichtungen in belasteten Sozialräumen vorlagen.
Hier geht es zum gesamten Evaluationsbericht: