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Die Macht des Perspektivwechsels

Wie kann ein eigentlich ganz einfacher Perspektivwechsel zu einem gelingenden Umgang mit herausfordernden Situationen in der KiTa führen? Dies zeigte Klaus Kokemoor im Rahmen der kostenlosen digitalen Vortragsreihe „Der geht mir dann über Tische und Bänke!“ auf. Moderiert wurde der mit 1.200 Teilnehmer*innen frühzeitig ausgebuchte Vortrag von nifbe-Referent Peter Keßel.

Zum Einstieg hob Klaus Kokemoor den „Dialog und direkten Kontakt“ als Kern des menschlichen Zusammenlebens und auch der Frühpädagogik heraus und ging in diesem Sinne trotz der riesigen Anzahl von Teilnehmer*innen in den direkten Austausch. Der Fachberater für Inklusion in Hannover sowie erfolgreiche Autor und Autismus-Experte setzt seit vielen Jahren auf die Video-Interaktionsanalyse, um herausfordernde Situationen in der KiTa zu analysieren und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Einmal mehr wurde dabei in diesem Vortrag die Kraft der Bilder deutlich, die mehr als 1000 Worte sagen.

Zunächst schilderte Klaus Kokemoor die wahrscheinlich für sehr viele KiTas klassische Szene aus einem Morgenkreis, in dem ein Kind immer wieder stört. Mit einem Video analysierte er auf einem Studientag dann gemeinsam mit dem Team die Szene und erreichte über eine kurze Reflexion einen grundlegenden Perspektivwechsel auf das als störend wahrgenommene Kind und kam zu einer in der Folge einfachen Lösung: Der Junge durfte statt zu sitzen nun etwas außerhalb des Kreises auf dem Bauch liegen und das Geschehen verfolgen und störte nicht mehr.

Das Bedürfnis hinter dem Verhalten ergründen

„Es ist der Perspektivwechsel, der uns erlaubt das hinter dem Verhalten steckende Bedürfnis zu ergründen“ sagte Klaus Kokemoor und  warb dafür, die Dienstbesprechungen genau dafür systematisch zu nutzen. Grundsätzlich unterstrich er aber auch: „Inklusion fordert eine Anpassungsleistung der Institution und der Fachkräfte“ und in diesem Sinne müsse jedes Kind in den vorgegebenen Rahmen passen.

Nach einem kleinen Exkurs in die Entwicklungspsychologie und die existenziellen Grundbedürfnisse des Kindes führte der Referent den Teilnehmer*innen den Fall eines Jungen vor Augen, der aus einer schwierigen Familiensituation kam und sich nicht von seiner Bezugserzieherin trennen wollte – und der, wenn es doch dazu kam, andere Kinder geschlagen und mit Sachen um sich geworfen hat. Im Dialog mit den Teilnehmer*innen ergründete er, welches Bedürfnis hinter diesem Verhalten steckt: Das Bedürfnis nach einer verlässlichen Bezugsperson, nach Aufmerksamkeit, Halt und Geborgenheit. Gelöst werden konnte das  Problem nach einer Reflexion mit dem betroffenen KiTa-Team schließlich durch zwei Maßnahmen: Durch die wechselnde Verantwortlichkeit für das Kind durch eine „Staffelstabpädagogik“ sowie durch einen Schal der Erzieherin und einen daran befestigten Schnuller als Übergangsobjekt, das Umhüllung und Geborgenheit bot. Und zum großen Erstaunen der Teilnehmer*innen war auf den nächsten Videoszenen ein entspanntes und zufriedenes Kind zu sehen, dass in Kontakt mit den Fachkräften und anderen Kindern war. An diesem Punkt, so Klaus Kokemoor komme es darauf an, das konstruktive Verhalten des Kindes und seine Handlungen bewusst wahrzunehmen, durch Verbalisierung zu unterstützen und so das Kind auch seine Selbstwirksamkeit spüren zu lassen. Dies durchbreche das Gefühl des Kindes, Aufmerksamkeit nur durch störendes Verhalten zu erreichen.

Das Phänomen der „Sonnenscheintage“

Daran anknüpfend schilderte Klaus Kokemoor das Phänomen der „Sonnenscheintage“ – denn in 90 Prozent der Fälle,  in denen er wegen eines Problems in eine KiTa kommen würde, trete dieses Problem plötzlich nicht mehr auf. Er begründete dies mit einer „veränderten Haltung des Teams“, das an diesem Tage besonders aufmerksam, reflektiert und konzentriert sei und das Organisatorische in den Hintergrund treten lässt. Allein die Erkenntnis, dass ein störendes Verhalten nicht immer auftritt, sei schon ein großer Schritt dahin, das Kind zukünftig mit positiveren Augen zu sehen und das positive Verhalten zu verstärken.

Am Beispiel der „Sonnenscheintage“ verdeutlichte der Fachberater auch das von ihm entwickelte „Dreiraumprinzip“. Demnach gelte es den „Organisationsraum“, den „pädagogischen Begleitungsraum“ und den „Regenerationsraum“ sorgfältig aufzuteilen und sich die Räume nicht überschneiden zu lassen. Dabei gelte es den Kernauftrag der KiTa im Blick zu behalten, nämlich die pädagogische Begleitung. Und dabei brauche es gar nicht viele Angebote der Fachkräfte, denn: „Wenn Kinder den ganzen Tag miteinander spielen ist der pädagogische Auftrag erfüllt“. In diesem Sinne plädierte er auch für die Bedeutung der Peer-Interaktionen für die soziale, kognitive und motorische Entwicklung.

Anhand von drei weiteren Video-Szenen mit Konflikten in der KiTa und den Lösungsansätzen der Fachkräfte vor Ort  sammelte Klaus Kokemoor gemeinsam mit den Teilnehmer*innen Verhaltensstrategien, die zur Deeskalation und Lösung führen können:

  • Zuhören
  • Auf Augenhöhe Nähe erzeugen
  • In den Dialog gehen
  • Optionen aufzeigen
  • Kinder beteiligen
  • Visualisieren (z.B. Zeit durch eine Sanduhr)
  • Nicht werten
  • Köperkontakt aufnehmen

Grundsätzlich ordnete Klaus Kokemoor einen Konflikt in der KiTa als Angebot und Chance ein, um ihn gemeinsam mit den Kindern zu lösen – und zwar auch hier wiederum mit einem bewussten Perspektivwechsel der Fachktraft, um den guten Grund und das Bedürfnis hinter dem jeweiligen Verhalten zu beleuchten.

Karsten Herrmann

Niedersächsisches Institut
für frühkindliche Bildung und Entwicklung e.V.
Jahnstraße 79
49080 Osnabrück
Tel: 0541 - 58 054 57 - 0
E-Mail: info@nifbe.de
"Im Mittelpunkt der Arbeit des nifbe steht das Kind in seinem sozialen Kontext und mit seinem Anspruch auf bestmögliche Förderung und Begleitung von Anfang an."
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