Lautes Schreien, Wegrennen, Körperliche Übergriffe oder auch Rückzug und Schweigen – wann und wie fühlen sich pädagogische Fachkräfte in der KiTa herausgefordert und warum verhalten sich Kinder so? Diese Fragen rückte Anja Cantzler im Rahmen der kostenlosen digitalen nifbe-Vortragsreihe „Der geht mir dann über Bänke und Tische“ in den Fokus und zeigte Wege des professionellen Umgangs damit auf.
Die ehemalige KiTa-Leiterin und jetzt als Weiterbildnerin und Coachin tätige Referentin schaute in ihrem Vortrag zunächst darauf, was pädagogische Fachkräfte herausfordert und markierte dabei zwei zentrale Punkte:
Anja Cantzler verdeutlichte, dass ein als herausfordernd wahrgenommenes Verhalten auch stark vom eigenen Bild vom Kind abhängt. Dieses resultiere aus den verschiedenen „positiven und negativen Glaubenssätzen“ sowie Werten, die Fachkräfte begleiten und oftmals auch in der eigenen Biographie ihre Wurzeln hätten. Aufgrund gesellschaftlicher oder kultureller Prägungen würden Verhaltensweisen von Kindern aber durchaus auch unterschiedlich interpretiert – so gebe es zum Beispiel im Hinblick auf das Wild sein, Rangeln und Kämpfen von Jungen und Mädchen deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede und hier lauere die „Rosa-Hellblau-Falle“. In diesem Sinne sei es „extrem unterschiedlich“, was als herausfordernd wahrgenommen werde und was nicht.
In der Folge richtete Anja Cantzler ihren Blick auf das Kind und stellte grundsätzlich klar, dass „Kinder immer das Beste geben, was ihnen zur Verfügung steht“. Herausforderndes Verhalten sei eine „Stressbelastungsreaktion“ und deute darauf hin, dass Kinder an ihre Grenzen stoßen. Sie würden sich dann in einer Notsituation befinden und entsprechend ein nicht mehr rational gesteuertes Notfallprogramm abspulen. „Jedes Verhalten“, so die Referentin, „hat gute Gründe“ und weise auf unerfüllte Bedürfnisse hin. Keineswegs sei es gegen andere gerichtet und wolle „nicht ärgern oder provozieren“. Sie verwies an dieser Stelle auch auf die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie, die unter anderem bei vielen Kindern eine „verzögerte sozio-emotionale Entwicklung“ verursacht habe.
Mit dem „Eisbergmodell“ interpretierte Anja Cantzler das sichtbare Verhalten von Kindern auch nur als „Spitze eines Eisbergs“, unter dem sich eine Vielfalt von Ursachen und Auslösern verberge. Als zentrale stelle sie folgende dar:
Anja Cantzler ermutigte die Fachkräfte dazu „genau hinzuschauen“ und die Bedürfnisse hinter dem jeweiligen Verhalten des Kindes zu eruieren. Als grundlegende und in Wechselwirkung stehende Bedürfnisse führte sie in Anklang an Maslows Bedürfnispyramide und die Selbstbestimmungstheorie von Decy & Ryan folgende auf:
Auf dieser Matrix könne geschaut werden, warum ein Kind sich vielleicht gerade herausfordernd verhält und was die Fachkraft dagegen tun kann. „Wir müssen den Ursachen des Verhaltens nachspüren und in positive Beziehung mit dem Kind gehen“ unterstrich Anja Cantzler. Das starre Beharren auf Regeln und Grenzen führe in einer solchen Situation nicht weiter bzw. in einen Teufelskreis des Nicht Verstehens und des sich nicht verstanden Fühlens. Stattdessen gelte es eine „Wohlfühlspirale“ in Gang zu setzen und die dabei Schätze und Ressourcen des Kindes zu aktivieren.
Zur Aufzeichnung des Vortrags geht es hier auf YouTube
Karsten Herrmann