Die Arbeitsgruppe Frühbetreuung in der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten Deutschland e.V. (VAKJP) hat einen „Aufruf zur Wende in der Frühbetreuung“ gestartet und fordert unter anderem einen Beginn der Betreuung frühestens mit 24 Monaten und dann nur für wenige Stunden. Die AG begründet dies in einer Kurzzusammenfassung wie folgt:
„Der massive Ausbau von Kitas verändert das Aufwachsen von vielen Kleinkindern in den ersten Lebensjahren. Dies hat körperliche, psychische und soziale Auswirkungen für die nachwachsende Generation. Deshalb fordert die Arbeitsgruppe rasche, wirksame und fachlich fundierte Veränderungen der derzeitigen Unterbringungssituation.
Die Situation der Kitas ist in einem alarmierenden Zustand. Lediglich ca. 3% der Kitas für unter 3-Jährige weisen einen guten bis sehr guten Qualitätsstandard auf. In weit über 90% der Kitas für unter 3-Jährige liegt die Fachkraft-Kind-Relation unter der wissenschaftlich geforderten Zielgröße von 1:3, sodass in vielen Fällen nicht einmal die Beaufsichtigung gewährleistet werden kann und Sicherheitsrisiken entstehen.
Die Situation der Erzieher*innen ist von einem enormen Fachkräftemangel geprägt. Dieser entsteht durch die rasche Erweiterung der Krippenplätze, die geringe Bezahlung und anhaltenden Stress am Arbeitsplatz. Viele Erzieher*innen arbeiten an ihrer Belastungsgrenze. Hoher Krankenstand sowie häufiger Arbeitsplatzwechsel sind die Folge. Die gute Qualität der Krippen hängt aber hauptsächlich von einer verlässlichen, bedürfnisorientierten Begleitung der Kinder durch die Erzieher*innen ab. Sie brauchen Zeit und Raum, um die Kinder kennenzulernen und sich ihnen individuell zuwenden zu können.
Die Kinder brauchen eine sichere Bindung an erwachsene Bezugspersonen, um ein stabiles Selbstgefühl und emotionale Sicherheit entwickeln zu können. Entwicklung, Lernen und Bildung können nur mit emotionaler Regulationsfähigkeit und ohne Stress gelingen. Hierfür sind Entwicklungsschritte in den ersten 3, besonders aber den ersten 2 Lebensjahren notwendig, welche nur im Umgang mit einfühlsamen und vertrauten Bezugspersonen stattfinden können. Emotionale Bedürfnisse, die zu Fähigkeiten wie Empathiefähigkeit, Selbst- und Stressregulation führen, lassen sich in einem Gruppenkontext auch mit großem materiellen und personellen Einsatz kaum befriedigen. Der Fachkräftemangel verschärft dieses Problem.
Durch zu frühe und zu lange Aufenthalte in einer Kita sind die unter-3-Jährigen anhaltendem frühkindlichen Stress ausgesetzt. Diese ungünstigen Grundlagen für Stressverarbeitung können Körper und Psyche nachhaltig beeinträchtigen. Die enorme Anpassungsfähigkeit von Säuglingen und Kleinkindern kann über innere Probleme vorerst hinwegtäuschen.
Doch spätere Folgen können sein: Impulsives Verhalten und Aggressivität, motorische Unruhe mit Aufmerksamkeitsdefiziten, verminderte Konzentrationsfähigkeit, gesteigerte Ängstlichkeit, anhaltende Trennungsängste und depressives Rückzugsverhalten. Zu den Langzeitfolgen gehören z.B. eine erhöhte Anfälligkeit für Angststörungen und Depressionen, eine geringere Lebenszufriedenheit sowie eine Reihe körperlicher Erkrankungen.
Die Eltern stehen häufig unter Druck, ihr Kind nach Ablauf des Elterngeldes in außerfamiliäre Betreuung zu geben. Sie benötigen jedoch ausreichend Zeit für gemeinsame Erfahrungen mit dem Kind. Nur dann kann eine positive Bewältigung natürlich auftauchender Probleme zu Beginn der Elternschaft stattfinden. Es ist hierbei sinnvoll, Eltern-Kompetenzen zu fördern. Hierfür sollten bestehende Angebote erweitert und neue geschaffen werden.
Notwendige Konsequenzen
Verfasserinnen: Agathe Israel und Gisela Geist, Sprecherinnen der Arbeitsgruppe Frühbetreuung in der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten Deutschland e.V. (VAKJP)“