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Auf dem Weg zur (emotional) gesunden KiTa

Wie kann der Teufelskreislauf aus überlasteten Fachkräften und als herausfordernd wahrgenommenen Kindern durchbrochen werden? Einen Lösungsansatz zeigt Rita Crecelius mit der „doppelten Kraft der positiven Interaktion“ im Rahmen der kostenlosen digitalen nifbe-Vortragsreihe „Der geht mir dann über Tische und Bänke“ auf.

Zunächst fasste die aus dem Gesundheitsmanagement kommende Psychologin noch einige Ergebnisse der nifbe-Befragung zur Belastungssituation der niedersächsischen Kitas zusammen, die bei ihr „die Alarmglocken haben schrillen lassen“ – so sahen zwei Drittel der KiTa-Leitungen ihre Fachkräfte durch als herausfordernd wahrgenommenes Verhalten von Kindern „stark bis sehr stark belastet“. Doch KiTas, so Rita Crecelius, sollten doch eigentlich Orte sein, „an denen Kinder sich im Rahmen gelingender, entwicklungsförderlicher Beziehungen mit gesunden Fachkräften gut entfalten können“. Als Psychologin ging sie nicht weiter auf die verschiedenen und aktuell oftmals unzureichenden Rahmenbedingungen ein, zeigte aber eine pädagogisch wirksame Strategie zur Krisenbewältigung auf: Die positive Interaktion.

Wie positive Interaktionen aussehen, zeigte Rita Crecelius anhand des „Still Face“-Experiments von Edward Tronick auf. Der Schlüssel einer positiven Interaktion sei die bewusste Zuwendung im Sinne von „ich fühle, was du fühlst“ und finde Ausdruck in:

  • Augenkontakt
  • Gesichtsausdruck
  • Stimmlage
  • Körperhaltung
  • Gestik
  • Timing
  • Intensität der Antwort

Positive Interaktion sei dabei immer „dialogisch, reziprok und wechselseitig“ und führe zur Stressreduktion – und dies, wie sie später noch genauer ausführen sollte, nicht nur auf Seiten des Kindes.

Fehlende Selbststeuerung

Als zentrale Ursache des von Fachkräften als herausfordernd wahrgenommenen Verhaltens von Kindern markierte die Gesundheits-Psychologin eine „emotionale Disregulation und fehlende Selbststeuerung“ des Kindes. Die entsprechenden „exekutiven Funktionen“ wie z.B. die Affekt- und Impulskontrolle oder auch die Frustrationstoleranz lägen dabei im Präfrontalen Kortex des Gehirns, dem stammesgeschichtlich jüngsten Areal. Die anderen drei großen Hirnregionen seien für das Denken, das Fühlen und die Körperfunktionen zuständig. Gerade die neueren Hirn-Areale seien nach dem Motto „use it or lose it“ erfahrungsabhängig und positive Interaktionen sowie die Erfahrung von Selbstwirksamkeit seien „wie Dünger“ für deren Entwicklung. Für die Entwicklung der Selbststeuerung sei aber ebenso die Erfüllung der Grundbedürfnisse nach Sicherheit (Bindung) und Orientierung unerlässlich.

Im Notfallmodus

Nach dem neurobiologischen Ausflug in das Kinderhirn zoomte Rita Crecelius in das Hirn der gestressten und überlasteten Fachkraft und auf deren „Amygdala“, den „Notfallknopf des Gehirns“. Wenn dieser aktiviert sei, gehe der gesamte Mensch in den Überlebensmodus von „Fight – Flight – Freeze“ und agiere auf „Autopilot“. Dies sei auch bei Dauerstress und einem damit einhergehenden erhöhten Cortisol-Spiegel der Fall. In dieser Situation des „Tunnelblicks“ sei eine positive Zuwendung und Interaktion mit dem Kind kaum noch möglich und es entstehe eine „lose-lose“Situation: Dem Kind fehle, wie Rita Crecelius am zweiten Teil des „Still Face“-Experiments verdeutlichte, ohne ein emotional erreichbares Gegenüber die psychische Grundnahrung und zusätzlich entstehe bei der eigentlich empathischen Mutter oder auch Fachkraft „emphatischer Stress“: Sie sehen, was dem Kind fehlt, können es aber aufgrund ihrer eigenen (Belastungs-)Situation nicht ändern – dies sei der Beginn einer gefährlichen Abwärtsspirale, der möglichst früh begegnet werden müsse.

Kraft der Verbundenheit nutzen

Als wirksames „Werkzeug“ brachte Rita Crecelius die Forschungen von Stephen W. Porges zur Polyvagaltheorie oder dem „Social Engagement System“ in Spiel. Dieses bewusst zu trainierende System könne die älteren archaischen Überlebensstrategien des Stammhirns hemmen und ermögliche „Ruhe und Kraft durch Verbundenheit“. Wie sie mit Bezug zu verschiedenen neurobiologischen Forschungen unterstrich, habe der Mensch ein „empathisches Gen“ und bei der Co-Regulation des Kindes entstünden positive Feedback-Schleifen zwischen Kind und Fachkraft und führten letztlich zu einer „win-win-Situation“.

Allerdings, so Rita Crecelius, müsse man dafür erst aus den akuten Stresssituationen herauskommen und hierfür stellte sie einen „Notfallkoffer“ vor wie z.B. eine Fokussierung auf den Atem, ein kurzes Timeout oder die bewusste Verankerung mit dem Boden unter den Füßen. Stressreaktionen könnten so bewusst gestoppt werden.

Von der Empathie zum Mitgefühl

Als zweiten Schritt gelte es dann, von einer „affektiven Empathie“ zu einem professionellen Mitgefühl zu gelangen und eine „Haltung wohlwollender Fürsorge einzunehmen, ohne selbst (mit) zu leiden“. Wie Studien u.a. von Tania Singer gezeigt hätten, reduziere die positive Interaktion das Stresslevel durch Ausschüttung des Hormons Oxytocin und steigere durch damit einhergergehende Erfolgserlebnisse die Motivation – und genau hier beginne nun der Weg in eine (emotional) gesunde KiTa.

Wie die entsprechende psychische und sozial-emotionale Gesundheit bewusst gefördert werden kann, zeigt Rita Crecelius in der Folge am International Child/Care Development Programme (ICDP), das von der WHO als Mittel zur Förderung der psychischen Gesundheit anerkannt und von der Referentin in Deutschland vertreten wird. Ziel ist es auf Seiten der Kinder Sicherheit, Orientierung und Selbststeuerung zu entwickeln und zum bewussten „Cargiver“ zu werden, um die doppelte Kraft der positiven Interaktion zu nutzen. Das fördere das Selbst- und Kompetenzerleben und stärke die Resilienz nach dem von Vera F. Birkenbihl so benannten Motto „Freude-Hormone fressen Kampf-Hormone.“ Abschließend unterstrich Rita Crecelius, was eigentlich alle wissen, wonach aber nur wenige handeln: Damit es dem Kind gut gehen kann, muss es dem Erwachsenen gut gehen und daher müsse es in der KiTa eine Priorität haben, „dass die Fachkräfte im grünen Bereich sind und bewusst auf ihre Selbstfürsorge und Selbstregulation achten können.“

Karsten Herrmann

Infoflyer ICDP

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für frühkindliche Bildung und Entwicklung e.V.
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49080 Osnabrück
Tel: 0541 - 58 054 57 - 0
E-Mail: info@nifbe.de
"Im Mittelpunkt der Arbeit des nifbe steht das Kind in seinem sozialen Kontext und mit seinem Anspruch auf bestmögliche Förderung und Begleitung von Anfang an."
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